Der Delta-Stern
schrecklichen Getöses noch mehr tranken.
Mittlerweile stieg der Schreckliche Tscheche richtig ein. Seine Fingerknöchel schimmerten im Halbdunkel der verräucherten Bar schneeweiß. Er knirschte mit den Zähnen und gab gurgelnde Geräusche von sich, und seine riesigen Pfoten zerfetzten die Leitartikelseite der Los Angeles Times, ohne daß er es überhaupt zu merken schien. Die Sehnen an seinem gewaltigen Kinn spannten sich schier bis zum Zerreißen, als er seine Eselsbackenzähne fletschte. Dann schlug sich der Schreckliche Tscheche so heftig gegen die breite slawische Stirn, daß es einen normalen Menschen sofort umgehauen und vom Barhocker gerissen hätte.
Der Schlag des Schrecklichen Tschechen paßte haargenau in den aus der Musikbox dröhnenden Rhythmus der Sex Pistols, der seine Worte so noch unterstrich.
»Jetzt reicht's!« brüllte der Schreckliche Tscheche, laut genug, eine ganze Kompanie von Punkern zu übertönen. »Sie hat's schon wieder gemacht! Diese Fotze! Sie hat's schon wieder gemacht!«
Alle wußten, wer die Fotze war: sie gehörte zu den Leuten, die der Schreckliche Tscheche auf der ganzen Welt am meisten haßte. Dennoch stellte, den üblichen Gepflogenheiten entsprechend, ein verrunzelter Cop namens Ronald – der zwei Tage vor seiner Pensionierung stand und sich deshalb vor allem fürchtete, vor Verkehrsschlangen ebenso wie vor Erdbeben – die naheliegende Frage: »Was haben Rose Bird und die Supremes denn diesmal gemacht?«
Es gab nur einen Menschen, den der Schreckliche Tscheche noch mehr haßte als Rose Bird, die Chefrichterin des Supreme Court, des obersten kalifornischen Gerichtshofs. Das war Jerry Brown, der Gouverneur, der sie auf diesen Posten berufen hatte. Weil Gouverneur Jerry Brown als Kind auf einer Jesuitenschule erzogen worden war, nannten ihn die Cops den verrücktesten Mönch seit Rasputin, wobei sie allerdings dessen Geschlechtstrieb unberücksichtigt ließen.
»Dieser miese, dreckige, durch und durch korrupte Kotzbrocken von einem …« Mit einem Mal schien der Schreckliche Tscheche an Galle und Spucke zu ersticken. Der alte Runzel-Ronald, der so kurz vor seiner Pensionierung auch vor herabfallenden Ziegelsteinen, giftigen Insektenstichen und alten Damen mit Scheren Angst hatte, haute dem Schrecklichen Tschechen sofort kräftig auf den Rücken, damit seine Atmung wieder in Ordnung kam.
»Du kriegst ja kaum noch Luft, Tscheche«, sorgte sich Runzel-Ronald. »Reg dich ab! Reg dich ab!«
Dann begannen die zehn Cops und die drei Groupies, die an diesem Muttertag Leerys Kasse klingeln ließen, kernige Sprüche zu erfinden, um den Schrecklichen Tschechen wieder aufzuheitern. Sprüche wie etwa diesen: »Schickt John Hinckley {1} ein Pin-up-Foto von Rose Bird!«
Der Schreckliche Tscheche riß Leery eine Flasche Bier aus der Hand, trank sie in einem Zug aus und schnappte anschließend wieder nach Luft.
Runzel-Ronald – er fürchtete sich in diesen letzten Tagen vor schleudernden Lastwagen ebenso wie vor vergifteten Burritos – hatte eine bizarre Vision von der asketischen Obersten Richterin und dem nicht minder asketischen Mönch, der gerade um seine Wahl in den amerikanischen Senat kämpfte. »Weißt du, was der verrückteste Film der Welt war?« sagte er. »Ein Porno mit Jerry Brown und Rose Bird.«
»Sie … stellt euch vor … sie …« Der Schreckliche Tscheche schnappte sich das nächste Bier von der Bar, stürzte es zur Hälfte runter und setzte sich. »Alle Supremes außer ihr haben sich für Corky eingesetzt. Ausnahmsweise waren sich die Scheißer mal einig. Nur Rose nicht. Sie schreibt 'n Zweiundzwanzigseitenartikel dagegen!«
Natürlich waren ihnen diese Auftritte ihres Schreihalses längst vertraut, weil ihm schließlich jedesmal, wenn er die Los Angeles Times laut vorlas, die Galle hochkam, und natürlich wußte auch jeder, daß Corky der Hund der Flughafenpolizei war, der kürzlich in einem Handkoffer ein bißchen Rauschgift erschnüffelt hatte und deshalb wegen des Verdachts illegaler Durchsuchung und Beschlagnahme aus dem Verkehr gezogen werden sollte, genau das also, was jederzeit auch den Cops mit zwei Beinen passieren konnte.
»Hört euch das an«, las der Schreckliche Tscheche: »Ein Reisender, der seine Intimsphäre schützen will, sollte nicht gezwungen werden, in seiner Not zu luft- und geruchsdicht verschlossenen Koffern greifen oder sich anderer ungewöhnlicher Maßnahmen bedienen zu müssen, nur um zu verhindern, daß ein einziges
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