Der Derbysieger
blieb ihr nichts anderes übrig, als geduldig und ruhig die Entwicklung der Dinge abzuwarten. Erst gegen Mitternacht hörte sie, daß ein Auto sich dem Ufer näherte. Als der Wagen hielt, sprachen mehrere Männer leise miteinander. Sie sah einen großen Herrn über die Landungsbrücke an Bord gehen. Kurz darauf klopfte es an ihre Tür, und eine Frau fragte, ob sie wach sei. Janet hatte sich nicht ausgezogen und folgte der Frau, die hier anscheinend als Dienstmädchen angestellt war, nach dem großen Salon.
Sie erkannte den Mann, der am Ende des langen Tisches stand, obwohl sie ihn bisher nur einmal gesehen hatte. Sir George Frodmere konnte man auch nicht leicht verkennen. Er verneigte sich vor ihr, und auf seinen Wink verließen die beiden anderen Herren, die zugegen waren, den Raum.
»Warum haben Sie mich hierhergebracht?« fragte sie ruhig und gefaßt.
Er sah sie nachdenklich an. Sie war tatsächlich schöner, als er erwartet hatte.
»Meine verehrte junge Dame«, begann er liebenswürdig, »ich bedaure unendlich, daß ich Sie hierherbringen mußte. Aber Sie sind jung und vielleicht romantisch veranlagt, und so hoffe ich, daß Sie meine Lage begreifen werden. Ich hoffe sogar, daß Sie die nötige Sympathie für mich haben, um mir zu helfen.«
Sie schwieg. Es hatte ja keinen Zweck, seine Erklärung zu unterbrechen. Und sie mußte vor allem erfahren, was er beabsichtigte.
»Wollen Sie nicht Platz nehmen?« sagte er verbindlich.
»Nein, danke, ich möchte lieber stehen.«
»Dann muß ich auch stehenbleiben«, entgegnete er lächelnd.
»Nun, das ist ja auch nicht so wichtig. Wahrscheinlich wissen Sie, wer ich bin?«
»Ja.«
»Und Sie sind sicher auch über meine Familie orientiert?«
Er schaute sie fragend an, aber sie schüttelte den Kopf.
»Außer Ihrem Namen weiß ich nichts von Ihnen, Sir George.«
»Dann wissen Sie also nicht, daß ich der Erbe eines großen Vermögens bin, und zwar einer halben Million Pfund. An die Erbschaft ist aber die Bedingung geknüpft, daß ich bis zu einem gewissen Alter verheiratet sein muß. Bis jetzt habe ich es nicht für nötig gefunden, mich mit einer Frau zu belasten. Das klingt sehr unhöflich, aber Sie werden wahrscheinlich verstehen, was ich meine.«
Sie nickte. Sie hatte genug von Sir Georges Privatleben gehört, um die Bedeutung seiner Worte zu erfassen.
»Übermorgen werde ich nun achtunddreißig Jahre alt, und bis dahin muß ich verheiratet sein. Erst jetzt ist mir zum Bewußtsein gekommen, in welcher kritischen Lage ich mich befinde. Ich bin nicht im mindesten darauf vorbereitet gewesen, denn erst gestern haben mich meine Rechtsanwälte wieder an die Notwendigkeit erinnert, daß ich mich sofort verheiraten muß. Deshalb bin ich gezwungen, schnell eine Wahl zu treffen. Aber ich hoffe, daß sie glücklich ist, denn sie ist auf Sie gefallen.«
»Mich wollen Sie heiraten?«
»Ja. Ich weiß, daß Sie sehr hart zu kämpfen hatten … Und ich schätze und verehre Sie ganz besonders. Sie besitzen alle Eigenschaften, die mich glücklich machen könnten.«
Trotz der sonderbaren Situation mußte sie lachen.
»Aber das ist doch einfach unmöglich, Sir George! Ich kann Sie doch nicht so ohne weiteres heiraten.«
»Ich glaube, daß Sie die Möglichkeiten unterschätzen, die sich Ihnen durch meine Wahl bieten. Ich brauche eine Frau, die ich sofort nach der Trauung wieder verlassen kann.«
Er schaute sie durchdringend an, aber seine Worte schienen keinen Eindruck auf sie zu machen.
»Ich sage Ihnen, ich brauche eine Frau, von der ich mich direkt nach der Trauung wieder trennen kann«, wiederholte er mit besonderem Nachdruck. »Ich bin bereit, Ihnen als Hochzeitsgeschenk die Summe von hunderttausend Pfund zu überreichen.«
»Aber es gibt doch Hunderte von jungen Mädchen, die nur zu gern Ihren Vorschlag annehmen würden, Sir George«, entgegnete sie bestürzt und verwundert.
Er sah, daß sie errötete, und wußte, daß sie jetzt an Milton Sands dachte.
»Ja, es gibt Hunderte von jungen Mädchen«, wiederholte er, »aber es ist keine unter ihnen, die mir zusagt, keine, der ich trauen könnte. In Ihnen habe ich die Frau mit all den Eigenschaften gefunden, die ich schätze. Und ich wiederhole Ihnen in aller Form, daß Sie mich nach der Trauung sofort wieder verlassen können. Vorher überreiche ich Ihnen einen Scheck über hunderttausend Pfund.«
»Sie scheinen zu vergessen, Sir George, daß ich seit einigen Monaten mit Mr. Sands zusammenarbeite.«
»Ich wüßte
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