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Der deutsche Goldrausch

Der deutsche Goldrausch

Titel: Der deutsche Goldrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laabs Dirk
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gegenüber.
    Auf der einen Seite viele Ostdeutsche, die sich bestohlen fühlen. Auf der anderen Seite die westdeutschen Politiker und Treuhänder, die jede Kritik an der Treuhand als undankbar empfinden und glauben, dass die historische Leistung der Anstalt nicht genügend gewürdigt wird, weil gerade vielen Ostdeutschen das wirtschaftliche Grundverständnis fehle. Je vehementer behauptet wird, dass das »Volkseigentum« der DDR vor allem von Westdeutschen veruntreut worden ist, desto deutlicher betonen die politisch Verantwortlichen, dass die Volkswirtschaft marode und unter dem Strich nichts wert war, dass, wie ein US-Banker sagte, »die DDR ein schlechter Kauf« gewesen ist. Was hätte man dort schon stehlen können? Ohne unser westdeutsches Geld hatten die Ostdeutschen keine Chance, heißt das zwischen den Zeilen.
    Betrachtet man den Vorgang wie ein Buchhalter, mag das in der Endabrechnung stimmen: Die Treuhand hat 245 Milliarden D-Mark Verlust gemacht. Psychologisch ist dieser Ansatz jedoch verheerend, denn man gibt damit den Ostdeutschen immer und immer wieder zu verstehen, dass ihre Lebensleistung und ihre Heimat nichts wert gewesen seien. Je stärker betont wird, das Land sei »Schrott« gewesen, desto stärker identifizieren sich viele Ostdeutsche aus Trotz mit der alten DDR. Die Ostdeutschen haben ein Anrecht darauf, dass ihnen erklärt wird, warum die Treuhand mit dem Verkauf der gesamten ostdeutschen Volkswirtschaft nur 34 Milliarden Euro erzielt hat. Etwas mehr als 50 Milliarden Euro hat die Versteigerung der UMTS-Mobilfunklizenzen erbracht. Frequenzen in der Luft über Westdeutschland waren also sehr viel mehr wert als die Volkswirtschaft der gesamten DDR.
    Bis heute plagt viele Ostdeutsche das Gefühl, ihr Eigentum sei verschleudert worden. Ohne Zweifel war die Modernisierung der Infrastruktur,
der Firmen, Fabriken und Gebäude ein gigantisches Geschäft, an dem vor allem westdeutsche Unternehmen verdient haben – siehe Leuna.
    Die Bundesregierung und viele ehemalige verantwortliche Treuhänder versuchen bis heute, die Arbeit der Treuhand unter rein betriebswirtschaftlichen Aspekten zu betrachten. Dabei standen sie in erster Linie vor einer psychologischen Herausforderung. Auch den Verantwortlichen war schon 1990 klar, dass es zu einem gigantischen Eigentumstransfer kommen musste: Auf der einen Seite stand die Volkswirtschaft der Ostdeutschen zum Verkauf, die größtenteils kein Kapital hatten und kaum Privateigentum besaßen. Auf der anderen Seite standen Westdeutsche, die Kapital im Überfluss investieren konnten. Dass vor allem Westdeutsche große Teile Ostdeutschlands kaufen würden, wurde nach der Wiedervereinigung nie deutlich und ehrlich erklärt. Der Transfer mag unvermeidlich gewesen sein, schmerzhaft ist diese Umkehr der Vermögensverhältnisse trotzdem. Die damalige Bundesregierung hat Managern, Betriebswirten und Wirtschaftspolitikern wie Birgit Breuel, deren Stärke es gerade nicht ist, politische Prozesse zu erklären, die Moderation dieses einmaligen Transfers überlassen.
    Alle Westdeutschen müssen der Wahrheit ins Auge sehen, dass sich »ihr« System nach der Wende oft von der schlechtesten Seite gezeigt hat. Man hat bewusst zugelassen, dass mit der Treuhand »ein Fremdkörper in den Verfassungsorganismus der Bundesrepublik« gepflanzt wurde, wie es der Chefjustitiar der Treuhand einmal gesagt hat. In der Phase des Übergangs glaubte die Bundesregierung es sich leisten zu können, eine Superbehörde zu schaffen, die nicht vom Parlament kontrolliert wurde. Die Regierung, aber auch viele führende Treuhänder haben angenommen, dass es für Deutschland am besten sei, wenn die Treuhand eine Art Schutzwall für den Staat bilde. Sie sollte das »schmutzige Geschäft« – die Abwicklung maroder Firmen und den Eigentumstransfer – organisieren, den Sündenbock geben und Ziel aller Enttäuschung werden. Auf diese Weise wollte man verschleiern, dass die Bundesregierung selbstverständlich die politische Verantwortung für die Entscheidungen der Treuhand trug. Im Schatten der Anstalt, so die Idee, sollte das neue demokratische System in den neuen Bundesländern in Ruhe Wurzeln schlagen. Das ist gründlich misslungen. Das politische System und der Glaube an die Demokratie überhaupt sind massiv beschädigt worden, trotz oder gerade wegen der scheinbar unkontrollierten Macht der Treuhand. Bei vielen Betroffenen blieb das Gefühl zurück, einer Institution hilflos ausgeliefert gewesen zu

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