Der deutsche Goldrausch
sein, die ihre Handlungen nicht erklären musste. Es war der Treuhand überlassen, wann und wie sie mit den Betroffenen
redete. Nicht immer, aber zu oft offenbarten die Treuhänder die Grundlage ihrer Entscheidungen nicht. Zu selten standen die Verantwortlichen der Behörde zu ihren Fehlern, da man nicht in laufende Geschäfte eingreifen könne. Diese scheinbar willkürliche Autonomie der Anstalt hat die Ostdeutschen, die gerade ein Leben in der Diktatur hinter sich hatten, sehr enttäuscht und verletzt.
Die Treuhand wurde ganz bewusst nicht effektiv demokratisch kontrolliert. Wie sollte da bei den Ostdeutschen Vertrauen in die Demokratie entstehen? Warum sollten sie überhaupt Vertrauen in das demokratische System setzen, wenn die westdeutsche Regierung den Volksvertretern offenbar selber nicht zutraut, diesen Prozess kompetent zu begleiten?
Von 1990 an wurde das eingeübt, was alle Deutschen dann in der Finanzkrise ab 2008 wieder erlebten: die Sozialisierung der Verluste; die Ausschaltung des Parlaments, eine Exekutive, die nicht erklären kann oder will, warum sie wirtschaftspolitisch wie handelt. Bis heute nehmen sich das Bundesfinanzministerium und die Nachfolgeeinrichtungen der Treuhand heraus zu bestimmen, was die Deutschen, die Bürger, die Wähler über die Treuhand wissen dürfen – und was nicht. Unter anderem wird versucht, mit Verweis auf das Aktien- und Steuerrecht zu rechtfertigen, dass die Arbeit der Anstalt nicht transparent und durchschaubar sein kann und darf. Man hat ohne Not aus vielen Vorgängen ein Geheimnis gemacht und damit Verschwörungstheorien Vorschub geleistet. Die Verantwortlichen geben der Öffentlichkeit durch diese Geheimniskrämerei seit 1990 das Gefühl, die Treuhand habe etwas zu verbergen. Wie der Fall Halle zeigt, wissen selbst führende Treuhänder nicht, wie viele Betrugsfälle nie öffentlich geworden sind, weil gerade die Anfangszeit der Treuhand nicht systematisch aufgearbeitet wurde.
Viele Treuhänder finden es ungerecht, dass ihre Arbeit auf spektakuläre Kriminalfälle reduziert wird. Tatsächlich haben die Bundesregierung und die meisten Landesregierungen nach der Wende die Wirtschaftskriminalität als unvermeidlichen Faktor einkalkuliert nach dem Motto: »Schwund ist immer.« Sie haben aber gleichzeitig versäumt, dafür zu sorgen, dass die Staatsanwaltschaften und Ermittler genügend Ressourcen bekommen, um diese komplexen Fälle zeitnah und umfassend aufzuklären. Sie haben zugelassen, dass Fälle verjährten oder es erst sehr spät zu Gerichtsverhandlungen kam, in denen man sich aus Zeitnot nur mit einem Teil der Tat befasste. So entstand bei den Menschen, die sich in dem neuen System zurechtfinden mussten, das Gefühl, dass es letztlich willkürlich ist, wer vom Rechtsstaat
erfasst wird und wer nicht. Dabei wäre es gerade für sie wichtig gewesen, unmittelbar zu erleben, dass der Rechtsstaat in der Lage ist, schnell zu handeln. Natürlich ist der Schaden, den ein Fall wie der Wärmeanlagenbau angerichtet hat, im Gesamtprozess nicht volkswirtschaftlich entscheidend. Aber der ideelle Schaden, der Vertrauensverlust in das neue System, ist verheerend.
Die DDR stand vor dem Bankrott. Da das Wirtschaftssystem des gesamten Ostblocks zusammengebrochen war, brauchte sie gewaltige Mengen an Kapital, um an der Marktwirtschaft teilnehmen zu können. Die Bundesregierung wusste seit Anfang 1990, dass sie der Konkursverwalter der DDR sein würde. Aber ein Konkursverwalter muss darüber Rechenschaft ablegen, was genau er mit der Konkursmasse gemacht hat. Dazu gehört, die Akten und die Abrechnungen offenzulegen. Schon 1990 schrieb ein Journalist, es dürfe nicht sein, dass die Akten der Staatssicherheit für die Bürger einsehbar sind, die der Treuhand aber nicht. Heute obliegt es dem Bundesarchiv im Zusammenspiel mit dem Bundesfinanzministerium, den Zugang zu den Akten zu regeln. Da einige Unterlagen steuerrelevant sind, werden sie noch bis ins Jahr 2050 gesperrt bleiben. Man traut den Bürgern, wie in so vielen anderen Bereichen auch, nicht zu, dass sie mit der Wahrheit umgehen können. Selbst Wissenschaftlern werden Informationen vorenthalten.
Die Treuhand und die damalige Bundesregierung haben immer versucht, das letzte Wort in Sachen Treuhand zu haben. Sie haben der Öffentlichkeit versichert, dass im Großen und Ganzen alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Es ist Zeit, dies durch Fakten zu belegen. Das Bundesfinanzministerium muss zulassen, dass ein neutrales
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