Der dicke Löwe kommt zuletzt
nur davon sprechen, dich zu vergnügen?« tadelte ihn Kim.
»Ich mache mir genausoviel Sorgen wie ihr, aber ich finde es gescheiter, die Wartezeit angenehm zu verbringen, als den Kopf hängen zu lassen. — Wann macht Ka sich endlich auf den Weg zu Dok?«
»Ich fliege schon los!« krähte Ka. »Ich nehme in der Küche nur rasch einige Körner zu mir!«
»Sage Dok, wie sehr wir auf ihn warten und daß er sich beeilen soll«, bat ihn Kim. Ka spreizte seine Flügel und begab sich auf die große Reise — mit einem kleinen Umweg über die Küche.
Kim und Pips zogen sich an. Wu sprang auf einen Hocker und schaute aus dem Fenster. Er schob die Nasenspitze ganz weit in die wohlriechende Luft hinaus. Da klopfte es an die Tür.
»Aha, Löwe!« knurrte Wu. »Komisch, daß ich ihn nicht gesehen habe.«
»Löwe würde nicht anklopfen!« sagte Kim.
»Allerdings — Löwen brauchen ja wohl auch nicht anzuklopfen, während kleine Hunde immer an den Türen scharren müssen, ehe man sie einläßt.«
»Herein!« rief Pips.
Die Tür öffnete sich. Der Haushofmeister verbeugte sich. »Verzeiht, wenn ich störe! Draußen steht ein Fischer, er heißt Abdulla, manchmal bringt er uns Fische für des Sultans Küche, aber heute bringt er nichts. Im Gegenteil, er verlangt fünfzig Goldstücke und behauptet, unser Polizeipräsident habe sie ihm versprochen. Sonderbar! Soll ich ihn davonjagen? Aber er wünscht ausdrücklich, das hochwohlgeborene Mädchen Pips zu sprechen. Damit wir ihm glauben, gab er mir diesen schmutzigen Fetzen Stoff. Ist das nicht unverschämt?« Empört ließ der Haushofmeister ein kleines graubraunes Tuch fallen, dessen Ränder mit feiner Spitze eingefaßt waren.
Wu sprang vom Hocker hinab und schnupperte daran. »Es riecht nach Löwe!« knurrte er. »Nach Löwe und etwas Fisch!«
Kim bückte sich und hob es auf. »Dein Taschentuch, Pips! Reichlich dreckig ist es ja. Du könntest es mal waschen. Warum Löwe es dir wohl gerade jetzt schickt?«
»O Allah!« murmelte der Haushofmeister. »Ist es wirklich ein Zeichen? Bisher habe ich immer nur von Schmuckstücken, kostbaren Ringen und Edelsteinen gehört, die man sich sendet. Aber daß man neuerdings auch Taschentücher dafür nimmt? Nun, die Sitten sind überall verschieden!«
»Eine Botschaft von Löwe?« rief Pips. »Wo ist der Fischer?«
»Unten in der Vorhalle... seine Füße sind nicht ganz sauber...«
Alle stürmten am Haushofmeister vorbei.
Abdulla, der heute sein rotes Feiertagsgewand angezogen hatte, wenn er auch vor lauter Eile die Pantoffeln vergessen hatte, Abdulla lächelte freudig.
»So rede!« Kim war ungeduldig.
Und Abdulla erzählte, er erzählte weitschweifig, wie er in tiefem, traumlosen Schlaf gelegen hatte, weil er müde gewesen sei von der Arbeit auf See, er erzählte in aller Umständlichkeit eine lange Geschichte, erzählte sie verworren und gestenreich. Aber endlich kam er doch zum Kern der Sache, endlich verstanden Kim, Pips und Wu, was er ihnen eigentlich zu sagen hatte.
Und um zu beweisen, daß es die Wahrheit war, führte er sie durch die Gassen, um viele Biegungen, an hellen Häuserwänden entlang, zum Hafen. Hier zeigte er ihnen den leeren Platz, an dem sonst sein Segelboot lag.
Wie anders standen sie nun hier, an der Mole, als vor zwei Tagen, als sie so feierlich begrüßt worden waren! Gewiß, es war die gleiche Sonne, die vom Himmel herunterstrahlte, es war das gleiche Meer, das an die Steine klatschte, es waren die gleichen neugierigen, braungebrannten Gesichter ringsumher — aber sonst war alles so verändert!
Auch Löwe hatte sie nun verlassen... Traurig und wortlos drehte sich Pips um. Sie ging zum Palast zurück. Sie hielt den Kopf gesenkt. Ihre Augen wurden feucht.
Kim folgte bekümmert. Wu schnüffelte noch sinnlos auf den Steinen herum, bis er genau wußte, wo Löwe gelaufen war, wo er sich niedergesetzt und wo er das Boot bestiegen hatte. Dann freilich, genau an der Steinkante, wo die Mauer zum Meer hin abfiel, verlor sich Löwes Geruch, als habe ihn die Luft verschluckt.
»Eigentlich komisch«, brummte Wu, »ich dachte, daß Löwe genug von der Seefahrt gehabt hätte, nach allem, was er schon erlebt hat. Aber manche Geschöpfe werden anscheinend nicht aus Erfahrung klug.«
Als Abdulla die Gäste des Sultans Weggehen sah, glaubte er sich um die Entschädigung betrogen. Laut schreiend rannte er hinter ihnen her. »Meine Goldstücke! — Meine fünfzig Goldstücke!«
»Du bekommst sie!« beruhigte ihn
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