Der dicke Löwe kommt zuletzt
Kim.
Da war wenigstens einer froh an diesem Morgen!
Ka berichtet
In der kleinen Stadt Neulöwenburg wurden die ersten Straßenlaternen angezündet. Es war eigentlich noch etwas zu früh dazu, denn es dämmerte erst, und am Horizont war noch ein roter Streifen zu sehen. Aber der Polizist Poch hatte es im Stadtrat durchgesetzt, daß die Lampen schon vor Einbruch der Dunkelheit eingeschaltet wurden. Die Erfahrung hatte ihn vorsichtig gemacht.
Auch in manchen Häusern wurden die Lichter angeknipst. Totokatapi ließ die Schaufenster seines Kaufhauses beleuchten. Da funkelten die verlockenden Waren.
Und auf dem Marktplatz wurde das Standbild von Löwe mit der erhobenen Pranke angestrahlt. Es war ja das Wahrzeichen der Stadt.
Dok, der Tierarzt, behandelte als letzte Patientin eine Katze, die über Schmerzen in den Ohren klagte. Sie hatte am offenen Fenster Zug bekommen, sie war schon alt und recht empfindlich. Mit einigen Tropfen und guten Ratschlägen versehen, verließ sie Dok. Es war nicht weiter schlimm. Bald würde sie wiederhergestellt sein.
Der Rabe Ra brachte seine Jungen ins Nest. Morgen durften sie mit ihm bis zum Fluß und zu Herrn Dreipfennigs Brücke fliegen, von wo aus Löwe vor Jahren seine Seereise angetreten hatte, die sogar vom Fernsehen verfilmt worden war.
Dok räumte seine Instrumente zusammen und dachte gerade daran, daß es ohne Kim und Pips nur halb so schön in Neulöwenburg sei, vor allem, weil sich zufällig ein junger Tierarzt gemeldet hatte, der eine Urlaubsvertretung für ihn übernehmen konnte, so daß er etwas mehr Zeit als sonst für sie gehabt hätte... Da klopfte es kräftig ans Fenster.
Nanu, wer ist das? Die Praxis ist nun aber wirklich geschlossen! Dok wunderte sich. Sollte es die Eule sein, die sich so leicht den Magen verdirbt? Wer fliegt denn sonst so spät am Abend noch herum? Aber für die Eule ist es eigentlich zu früh, es sei denn, daß sie unerträgliche Bauchschmerzen hat.
Er machte das Fenster auf. »Ach«, rief er, als er einen bunten Vogel auf dem Brett entdeckte, »dich kenne ich doch — wenn ich dich in der Dämmerung nicht verwechsle?«
»Ich bin Ka! Bin ich froh, daß ich dich noch vor Einbruch der Nacht erreiche! Ich komme aus Sultanien!«
»Um Himmels willen, Ka! Ist den Kindern etwas passiert?«
»Nein! Aber laß mich erst einmal herein. Das Fensterbrett ist etwas glatt. In letzter Zeit bin ich Sonderbote geworden, und diese Tätigkeit ist sehr anstrengend!«
Dok half Ka ins Zimmer, er fütterte und tränkte ihn, und als es draußen ganz dunkel geworden war, saß der treue Vogel auf seinem Schreibtisch und erzählte ihm die ganze Geschichte — bis auf Löwes selbständigen Aufbruch, denn den hatte er ja nicht mehr miterlebt.
Dok hörte ihm aufmerksam zu. Immer wieder rieb er sich nachdenklich das Kinn. Als Ka ausgesprochen hatte, sagte er: »Das sieht böse aus! Wie gut, daß du zu mir gekommen bist. Denn wenn hier jemand helfen kann, dann muß es wohl ein Arzt sein. Ach, aber leider werden die, die in so großer Gefahr sind, sich gar nicht gern helfen lassen... Ach herrje, ach herrje...«
»Was ist denn mit ihnen passiert? Sind sie verzaubert?« fragte Ka.
»In gewissem Sinne, ja! Sie sind berauscht und träumen von einem unwirklichen Glück — aber nach und nach werden sie vergiftet. Von alleine vermögen sie sich nicht zu befreien. Ich muß gleich nach Sultanien fliegen, und wir müssen dort beraten, was wir machen können. Wenn ich nur noch mein altes Flugzeug hätte...«
»Du hast doch jetzt das Krozeppon, diesen ulkigen Krokodil-Zeppelin-Ballon, den wir Mister Knister abgejagt haben, nachdem er dein Flugzeug heimtückisch in die Luft sprengte! Erinnerst du dich? Das war eine Explosion! Mir sträuben sich jetzt noch die Federn, wenn ich daran denke. Wie hat der Leuchtturm gebebt! O weh, o weh!«
»Ja ja«, murmelte Dok, »ich weiß es noch sehr gut. Aber das ist lange her. Und das Krozeppon ist mir zu langsam und unbeweglich. Ich habe es seitdem nie benutzt.«
»Es wäre wunderbar auf einem Rummelplatz zu gebrauchen«, meinte Ka.
Dok blickte den kleinen Vogel überrascht an, der da vor ihm auf dem Schreibtisch auf- und abging, immer von der einen Kante zur anderen.
»Daß ich auf diese Idee nicht selbst gekommen bin!« rief Dok. »Natürlich... ich werde gleich mit Totokatapi sprechen...« Er nahm den Telefonhörer ab, wählte und wartete.
Längst war es Feierabend. Das Kaufhaus war geschlossen. Totokatapi spielte in seinem Wohnzimmer
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