Der Doktor Faust (German Edition)
sogenannten Höllenzwänge, sind Geisterbeschwörungsbücher, die zum Teil in lateinischer, zum Teil in deutscher Sprache abgefaßt und dem Doktor Faust selbst zugeschrieben sind. Sie sind sehr wunderlich voneinander abweichend und kursieren auch unter verschiedenen Titeln. Der famoseste der Höllenzwänge ist »Der Meergeist« genannt; seinen Namen flüsterte man nur mit Zittern, und das Manuskript lag in den Klosterbibliotheken mit einer eisernen Kette angeschlossen. Dieses Buch ward jedoch durch frevelhafte Indiskretion im Jahr 1692 zu Amsterdam bei Holbek in dem Kohlsteg gedruckt.
Die Volksbücher, welche aus den angegebenen Quellen entstanden sind, benutzten auch mitunter ein ebenso merkwürdiges Opus über Doktor Fausts zauberkundigen Famulus, der Christoph Wagner geheißen und dessen Abenteuer und Schwänke nicht selten seinem berühmten Lehrer zugeschrieben werden. Der Verfasser, der sein Werk 1594, angeblich nach einem spanischen Originale, herausgab, nennt sich Tholeth Schotus. Wenn es wirklich aus dem Spanischen übersetzt, was ich aber bezweifle, so ist hier eine Spur, woraus sich die merkwürdige Übereinstimmung der Faustsage mit der Sage vom Don Juan ermitteln ließe.
Hat es in der Wirklichkeit jemals einen Faust gegeben? Wie manchen andern Wundertäter, hat man auch den Faust für einen bloßen Mythos erklärt. Ja, es ging ihm gewissermaßen noch schlimmer: die Polen, die unglücklichen Polen, haben ihn als ihren Landsmann reklamiert, und sie behaupten, er sei noch heutigentages bei ihnen bekannt unter dem Namen Twardowski. Es ist wahr, nach frühesten Nachrichten über Faust hat derselbe auf der Universität zu Krakau die Zauberkunst studiert, wo sie öffentlich gelehrt ward, als freie Wissenschaft, was sehr merkwürdig; es ist auch wahr, daß die Polen damals große Hexenmeister gewesen, was sie heutzutage nicht sind: aber unser Doktor Johannes Faustus ist eine so grundehrliche, wahrheitliche, tiefsinnig naive, nach dem Wesen der Dinge lechzende, und selbst in der Sinnlichkeit so gelehrte Natur, daß er nur eine Fabel oder ein Deutscher sein konnte. Es ist aber an seiner Existenz gar nicht zu zweifeln, die glaubwürdigsten Personen geben davon Kunde, z. B. Johannes Wierus, der das berühmte Buch über das Hexenwesen geschrieben, dann Philipp Melanchthon, der Waffenbruder Luthers, sowie auch der Abt Tritheim, ein großer Gelehrter, welcher ebenfalls mit Geheimnissen sich abgab und daher, beiläufig gesagt, vielleicht aus Handwerksneid den Faust herabzuwürdigen und ihn als einen unwissenden Marktschreier darzustellen suchte. Nach den eben erwähnten Zeugnissen von Wierus und Melanchthon war Faust gebürtig aus Kundlingen, einem kleinen Städtchen in Schwaben. Beiläufig muß ich hier bemerken, daß die obenerwähnten Hauptbücher über Faust voneinander abweichen in der Angabe seines Geburtsorts. Nach der ältern Frankfurter Version ist er als eines Bauern Sohn zu Rod bei Weimar geboren. In der Hamburger Version von Widmann heißt es hingegen: »Faustus ist gebürtig gewesen aus der Grafschaft Anhalt und haben seine Eltern gewohnt in der Mark Soltwedel, die waren fromme Bauersleute.«
In einer Denkschrift über den fürtrefflichen und ehrenfesten Bandwurmdoktor Calmonius, womit ich mich jetzt beschäftige, finde ich Gelegenheit bis zur Evidenz zu beweisen, daß der wahre historische Faust kein anderer ist, als jener Sabellicus, den der Abt Tritheim als einen Marktschreier und Erzschelm schilderte, welcher Gott und die Welt besefelt habe. Der Umstand, daß derselbe auf einer Visitenkarte, die er an Tritheim schickte, sich Faustus junior nannte, verleitete viele Schriftsteller zu der irrigen Annahme, als habe es einen älteren Zauberer dieses Namens gegeben. Das Beiwort »junior« soll aber hier nur bedeuten, daß der Faust einen Vater oder älteren Bruder besaß, der noch am Leben gewesen; was für uns von keiner Bedeutung ist. Ganz anders wäre es z. B., wenn ich unserm heutigen Calmonius das Epithet »junior« beilegen wollte, indem ich dadurch auf einen ältern Calmonius hindeuten würde, der in der Mitte des vorigen Jahrhunderts gelebt und ebenfalls ein großer Prahlhans und Lügner gewesen sein mochte; er rühmte sich z. B. der vertrauten Freundschaft Friedrichs des Großen, und erzählte oft, wie der König eines Morgens mit der ganzen Armee seinem Hause vorbeimarschiert sei, und vor seinem Fenster stille haltend, zu ihm hinaufgerufen habe: »Adies, Calmonius, ich gehe jetzt in den
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