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Der Dolchstoss

Der Dolchstoss

Titel: Der Dolchstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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behangenen Gänge entlang, die Gesichter vollkommen gelassen, aber hinter ihren Blicken schien sich Zorn zu verbergen. Hier und da sprachen zwei oder drei Frauen miteinander, die sich wachsam umsahen, ob jemand sie belauschte. Es waren stets zwei oder drei Frauen derselben Ajah. Sie glaubte, selbst gestern noch Frauen verschiedener Ajahs freundschaftlich miteinander umgehen gesehen zu haben. Von Weißen wurde erwartet, daß sie ihre Empfindungen vollkommen verbargen, aber sie hatte niemals einen Grund dafür erkennen können, warum sie sich blind stellen sollte, wie es einige andere taten. Mißtrauen ließ die Luft in der Burg knistern. Das war leider nichts Neues - die Amyrlin hatte durch ihre harten Maßnahmen damit begonnen, und die Gerüchte über Logain hatten die Situation noch verschlimmert -, aber heute morgen schien es ärger denn je.
    Talene Minly kam vor ihr um eine Ecke. Sie hatte ihre Stola aus einem unbestimmten Grund nicht nur über die Schultern, sondern auch über die Arme gebreitet, als wollte sie die grünen Fransen zeigen. Dabei fiel ihr auf, daß jede Grüne, die sie heute morgen gesehen hatte, ihre Stola trug. Talene, blond und statuenhaft und wunderschön, war bereit gewesen, Siuan abzusetzen, aber sie war schon in die Burg gekommen, als Seaine noch eine Aufgenommene war, und diese Entscheidung hatte ihrer langen Freundschaft nicht geschadet. Talene hatte Gründe angeführt, die Seaine akzeptieren konnte, wenn sie auch nicht mit ihr übereinstimmte. Heute blieb ihre Freundin stehen und betrachtete sie aufmerksam. So viele Schwestern schienen einander in letzter Zeit auf diese Weise zu betrachten. Zu einem anderen Zeitpunkt wäre sie ebenfalls stehengeblieben, aber nicht jetzt, wo ihr Kopf vor Sorgen wie eine verdorbene Melone zu zerspringen drohte. Talene war eine Freundin, und sie dachte, sie könnte sich ihrer sicher sein, aber dies zu denken genügte nicht allein. Später würde sie an Talene herantreten. Sie hoffte, daß es möglich wäre, und eilte nur mit einem Nicken vorüber.
    In den Quartieren der Roten war die Stimmung noch schlechter und die Luft noch dicker. Wie bei den anderen Ajahs gab es auch hier viel mehr Räume, als noch Schwestern da waren - so war es schon, seit die erste Aufständische geflohen war -, aber die Rote war die größte der Ajahs, und die noch bewohnten Stockwerke waren von Schwestern bevölkert. Rote trugen ihre Stolen häufig auch dann, wenn es nicht nötig war, und selbst hier trug jede Frau ihre roten Fransen wie ein Banner zur Schau. Unterhaltungen stockten, wenn Seaine sich näherte, und kalte Blicke folgten ihr in eisigem Schweigen. Sie fühlte sich wie ein Eindringling tief in Feindesland, während sie über diese eigenartigen Bodenfliesen - weiß mit der tränenförmigen Flamme von Tar Valon in Rot - schritt. Andererseits mochte jeder Teil der Burg Feindesland sein. Wenn man in eine andere Richtung blickte, konnte man jene scharlachroten Flammen für die Fänge eines roten Drachen halten. Sie hatte die unsinnigen Geschichten über die Roten und falsche Drachen niemals geglaubt, aber... Warum wollte niemand von ihnen sie leugnen?
    Sie mußte nach dem Weg fragen. »Ich werde sie nicht stören, wenn sie beschäftigt ist«, sagte sie. »Wir waren einst enge Freundinnen, und ich würde diese Freundschaft gern auffrischen. Die Ajahs dürfen jetzt weniger denn je auseinandertreiben.« Das war alles nur zu wahr, obwohl die Ajahs eher zu zerfallen als auseinanderzutreiben schienen, aber die Domani hörte ihr mit einer wie in Kupfer gestochenen Miene zu. Es gab nicht viele Domani-Rote, und diese wenigen waren meist bösartiger als eingefangene Schlangen.
    »Ich werde Euch den Weg zeigen, Sitzende«, sagte die Frau schließlich wenig respektvoll. Sie ging voran und beobachtete Seaine, als sie an die Tür klopfte, als könnte sie sie nicht allein hier zurücklassen. In die Tür war ebenfalls die Flamme geschnitzt, die in der Farbe frischen Blutes bemalt war.
    »Herein!« rief eine energische Stimme von drinnen. Seaine öffnete die Tür und hoffte, daß sie den richtigen Raum betrat.
    »Seaine!« rief Pevara freudig aus. »Was führt dich heute morgen zu mir? Komm herein! Schließ die Tür und setz dich!« Es schien, als wären die Jahre, seit sie Novizin und Aufgenommene gewesen waren, dahingeschmolzen. Etwas rundlich und nicht groß - sie war für eine Kandori tatsächlich klein -, war Pevara aber recht hübsch, hatte ein fröhliches Zwinkern in den Augen und ein

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