Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Dolchstoss

Der Dolchstoss

Titel: Der Dolchstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
Vom Netzwerk:
dem scharf geschnittenen Gesicht rief: »Thera! Die Position des Schwans!«
    Suroth preßte aus einem unbestimmten Grund die Lippen zusammen. »Nicht der Schwan, Alwhin, Ihr blinde Närrin!« zischte sie leise, obwohl ihr Akzent das Verstehen erschwerte. Dann kehrte das frostige Lächeln augenblicklich zurück.
    Die Dienerin erhob sich erneut von ihrem Platz an der Wand und lief auf seltsame Art, auf Zehenspitzen, die Arme zurückgenommen, zur Mitte des Raumes. Dann begann sie auf der flammenden goldenen Sonne, dem Symbol der Kinder des Lichts, langsam einen stilisierten Tanz. Sie streckte die Arme aus wie Schwingen und zog sie wieder an den Körper heran. Sie drehte sich, ließ den linken Fuß vorgleiten und beugte sich über das angewinkelte Knie, beide Arme wie flehend ausgestreckt, bis Arme und Körper und rechtes Bein eine gerade, schräg verlaufende Linie bildeten. Ihr hauchdünnes weißes Gewand ließ ihre gesamte Erscheinung anstößig wirken. Morgase spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg, während der Tanz, wenn man es so nennen konnte, fortgeführt wurde.
    »Thera ist neu und noch nicht gut dressiert«, murmelte Suroth. »Die Posen werden oft von zehn oder zwanzig Da'covale gleichzeitig ausgeführt, Männer und Frauen, die aufgrund der reinen Klarheit ihrer Linien ausgesucht wurden, aber manchmal ist es angenehm, nur einer zuzusehen. Es ist sehr erfreulich, schöne Dinge zu besitzen, nicht wahr?«
    Morgase runzelte die Stirn. Wie konnte jemand einen Menschen besitzen? Suroth hatte schon zuvor davon gesprochen, sich ›jemanden zu eigen zu machen‹. Sie kannte die Alte Sprache, aber das Wort Da'covale war ihr nicht vertraut, doch wenn sie darüber nachdachte, mußte es ›Person, die besessen wird‹ bedeuten. Es war widerlich. Entsetzlich! »Unglaublich«, sagte sie tonlos, »Vielleicht sollte ich Euch verlassen, damit Ihr den ... Tanz genießen könnt.«
    »Gleich.« Suroth lächelte der posierenden Thera zu. Morgase vermied es hinzusehen. »Alle müssen eine Entscheidung treffen, wie ich bereits sagte. Der alte König von Tarabon erwählte es, sich aufzulehnen, und starb. Die alte Panarchin wurde gefangengenommen und verweigerte dennoch den Eid. Jedem von uns ist ein bestimmter Platz zugedacht, es sei denn, wir werden von der Kaiserin erhoben, aber jene, die ihren angemessenen Platz zurückweisen, können niedergeworfen werden und sehr tief sinken. Thera besitzt eine gewisse Anmut. Seltsamerweise zeigt Alwin sich als vielversprechende Lehrerin, so daß ich erwarte, daß Thera innerhalb weniger Jahre lernen wird, die Posen mit ihrer Anmut in Einklang zu bringen.« Nun gewährte sie ihr Lächeln und diesen glitzernden Blick Morgase.
    Ein sehr bedeutungsvoller Blick, aber warum? Hatte es etwas mit der Tänzerin zu tun? Ihr Name war so häufig erwähnt worden, als sollte er hervorgehoben werden. Aber was...? Morgase wandte ruckartig den Kopf und sah die andere Frau an, die auf Zehenspitzen stand und sich langsam auf einem Fleck drehte, die Hände flach zusammengelegt und die Arme so hoch wie möglich erhoben. »Ich glaube es nicht«, keuchte sie. »Ich kann es nicht glauben!«
    »Thera«, sagte Suroth, »wie lautete dein Name, bevor du mein Besitz wurdest? Welchen Titel hattest du inne?«
    Thera erstarrte in ihrer gestreckten Position, erzitterte und warf panische Blicke zu Alwhin und zu Suroth. »Thera hieß Amathera, wenn es der Hohen Dame beliebt«, sagte sie hastig. »Thera war die Panarchin von Tarabon, wenn es der Hohen Dame beliebt.«
    Morgase ließ ihren Becher fallen, der auf dem Boden zerschmetterte, so daß sich der schwarze Kaf auf die Fliesen ergoß. Es mußte eine Lüge sein. Sie war Amathera niemals begegnet, aber sie hatte einmal eine Beschreibung gehört. Nein. Viele Frauen in entsprechendem Alter konnten große dunkle Augen und einen gereizten Zug um den Mund haben. Pura war niemals eine Aes Sedai gewesen, und diese Frau...
    »Posiert!« fauchte Alwhin, und Thera nahm ihre anmutigen Bewegungen wieder auf, ohne Suroth oder sonst jemandem auch nur noch einen Blick zu gönnen. Wer auch immer sie war - der vorrangige Gedanke in ihrem Kopf war jetzt der dringende Wunsch, keinen Fehler zu machen. Morgase bemühte sich sehr, sich nicht zu übergeben.
    Suroth trat ganz nahe an sie heran, das Gesicht vollkommen kalt. »Alle müssen eine Wahl treffen«, sagte sie ruhig und stahlhart. »Einige meiner Gefangenen behaupten, Ihr hättet einige Zeit in der Weißen Burg verbracht. Dem Gesetz nach

Weitere Kostenlose Bücher