Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Dolchstoss

Der Dolchstoss

Titel: Der Dolchstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
Vom Netzwerk:
ruhig und vernünftig besprechen«, sagte sie schließlich und trat von ihm zurück. »Wie Erwachsene.« Lan nickte nur, setzte sich hin und zog seine Stiefel zu sich heran. Sie strich sich mit der linken Hand Haarsträhnen aus dem Gesicht und streckte die rechte Hand hinter den Rücken, so daß sie ihre wunden Finger beugen konnte, ohne daß er es sah. Er hatte kein Recht, so hart zu sein, nicht, wenn sie ihn schlagen wollte. Es war wohl zuviel der Hoffnung, daß sie ihm eine Rippe gebrochen hätte.
    »Du solltest ihr dankbar sein, Nynaeve.« Wie konnte der Mann so ruhig klingen? Er zog entschlossen einen Stiefel an und beugte sich herab, um den anderen aufzuheben, sah sie dabei aber nicht an. »Du würdest nicht wollen, daß ich mit dir verbunden wäre.«
    Der Strang Luft ergriff eine Handvoll seines Haares und bog seinen Kopf schmerzhaft nach oben. »Wenn du es wagst - wenn du es auch nur wagst -, erneut solchen Unsinn von dir zu geben, daß du mich nicht als Witwe zurücklassen willst, Lan Mandragoran, dann werde ich ... werde ich...« Ihr fiel nichts ausreichend Bedrohliches ein. Ihn zu treten, genügte nicht annähernd. Myrelle. Myrelle und ihre Behüter. Verdammt sei er! Ihm die Haut in Streifen abzuziehen, würde auch nicht genügen!
    Er hätte sich genausogut nicht mit verrenktem Hals vorbeugen können. Er legte einfach die Unterarme über die Knie, betrachtete sie mit jenem eigentümlichen Blick und sagte; »Ich dachte daran, es dir nicht zu erzählen, aber du hast ein Recht, es zu wissen.« Dennoch zögerte er. Lan zögerte niemals. »Als Moiraine starb - wenn der Bund eines Behüters mit seiner Aes Sedai gebrochen wird -, änderte sich manches...«
    Als er fortfuhr, legte sie die Arme um sich und hielt sich, um nicht zu zittern. Ihr Kiefer schmerzte, weil sie fest die Zähne zusammenbiß. Sie ließ den Strang los, der ihn hielt, ließ Saidar los, aber er richtete sich nur auf und fuhr ohne mit der Wimper zu zucken damit fort, das Entsetzliche zu berichten, während er sie betrachtete. Plötzlich verstand sie seinen Blick, der kälter war als der tiefste Winter. Es war der Blick eines Mannes, der wußte, daß er tot war, und der sich nicht dazu bringen konnte, sich darum zu sorgen; ein Mann, der beinahe eifrig auf jenen langen Schlaf wartete. Ihre Augen brannten vor ungeweinten Tränen.
    »Du siehst also«, sagte er mit einem Lächeln, das nur seine Lippen einschloß, ein ergebenes Lächeln, »wenn es vorbei ist, wird sie ein Jahr oder länger leiden, und ich werde dennoch tot sein. Das bleibt dir erspart. Das ist mein letztes Geschenk an dich, Mashiara.« Mashiara. Seine verlorene Liebe.
    »Du wirst mein Behüter sein, bis ich selbst einen finde?« Sie war bestürzt über ihre ausgewogene Stimme. Sie durfte jetzt nicht in Tränen ausbrechen. Sie würde es nicht tun. Sie mußte jetzt mehr als jemals zuvor ihre Kraft sammeln.
    »Ja«, sagte er vorsichtig, während er seinen anderen Stiefel anzog. Er hatte sie schon immer an einen halbwegs zahmen Wolf erinnert, aber jetzt ließ sein Blick ihn noch weitaus wilder erscheinen.
    »Gut.« Sie richtete ihre Röcke und widerstand dem Drang, zu ihm zu treten. Sie durfte ihn ihre Angst nicht sehen lassen. »Weil ich ihn gefunden habe. Dich. Ich habe gewartet und bei Moiraine gehofft. Bei Myrelle werde ich das nicht tun. Sie wird mir deinen Bund übergeben.« Myrelle würde es tun, und wenn sie die Frau an den Haaren nach Tar Valon und zurück zerren mußte. Vielleicht würde sie Myrelle auch einfach nur aus Prinzip umherzerren. »Sag nichts«, wies sie ihn scharf an, als er den Mund öffnete. Ihre Finger streiften ihre Gürteltasche, in der sich sein in ein seidenes Taschentuch gewickelter, schwerer goldener Siegelring befand. Sie mäßigte ihre Stimme mühsam. Er war krank, und harte Worte halfen niemals gegen Krankheit. Aber es kostete sie Mühe. Sie wollte ihn heftig ausschelten, wollte sich den Zopf jedes Mal an den Wurzeln ausreißen, wenn sie an ihn und diese Frau dachte. Sie hielt ihre Stimme mühsam ruhig und fuhr fort.
    »Wenn jemand in den Zwei Flüssen einem anderen einen Ring schenkt, sind sie verlobt, Lan.« Das war eine Lüge, und sie erwartete halbwegs, daß er zornig aufspringen würde, aber er blinzelte nur. Außerdem hatte sie in einer Geschichte von dieser Vorstellung gelesen. »Wir sind schon ausreichend lange verlobt. Wir werden heute heiraten.«
    »Darum habe ich stets gebetet«, sagte er leise und schüttelte dann den Kopf. »Du weißt, warum

Weitere Kostenlose Bücher