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Der Dolchstoss

Der Dolchstoss

Titel: Der Dolchstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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der schönste Mann, den sie jemals gesehen hatte. Mit vollkommen durchweichtem Hemd, Hose und Strümpfen war er prachtvoll, mit dem tropfenden Haar, das an seinem Gesicht klebte, und... Eine purpurfarbene Prellung blühte auf seinem Gesicht. Sie schlug sich eine Hand vor den Mund, als sie sich an den Moment erinnerte, als ihre Faust auf etwas Festes traf.
    »O nein! Oh, Lan, es tut mir leid! Das wollte ich nicht!« Sie war sich nicht wirklich bewußt, den Abstand zwischen ihnen überbrückt zu haben. Sie war einfach bei ihm, stellte sich auf Zehenspitzen und legte sanft die Finger auf seine Verletzung. Ein geschickt gestaltetes Gewebe aus allen Fünf Mächten, und seine verfärbte Wange war wieder makellos. Aber er konnte vielleicht noch woanders verletzt sein. Sie spann die Gewebe, mit deren Hilfe sie ihn untersuchen konnte. Neue Narben ließen sie innerlich zusammenzucken, und da war etwas Merkwürdiges, aber er schien gesund wie ein Bulle. Er war ebenfalls naß, weil er sie gerettet hatte. Sie trocknete ihn genauso wie sich selbst. Wasser spritzte um seine Füße.
    Sie konnte nicht aufhören, ihn zu berühren. Sie zog mit beiden Händen seine starken Wangen nach, seine schönen blauen Augen, seine kräftige Nase, seine festen Lippen, seine Ohren. Sie kämmte dieses seidige schwarze Haar mit den Fingern zurecht, richtete das geflochtene Lederband, das es hielt. Ihre Zunge schien ebenfalls ein Eigenleben zu führen. »Oh, Lan«, murmelte sie. »Du bist wirklich hier.« Jemand kicherte. Nicht sie - Nynaeve al'Meara kicherte nicht -, aber jemand tat es. »Es ist kein Traum. Oh, Licht, du bist hier. Wie?«
    »Ein Diener im Tarasin-Palast erzählte mir, du wärst zum Fluß gegangen, und ein Bursche am Anlegesteg sagte mir, welches Boot du genommen hattest. Eigentlich wollte ich schon gestern hier sein.«
    »Das kümmert mich nicht. Du bist jetzt hier. Du bist hier.« Sie kicherte nicht.
    »Vielleicht ist sie eine Aes Sedai«, murrte einer der Ruderer, »aber ich behaupte noch immer, daß sie ein Entchen ist, das von diesem Wolf gefressen werden will.«
    Nynaeve errötete zutiefst, und sie senkte ruckartig die Hände. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte sie dem Burschen unmißverständlich die Meinung gesagt. Zu einem anderen Zeitpunkt, wenn sie klar denken konnte, woran Lan sie hinderte. Sie ergriff seinen Arm. »In der Kabine können wir uns ungestört unterhalten.« Hatte einer der Ruderer schon wieder gekichert?
    »Mein Schwert und...«
    »Ich nehme es«, sagte sie und hob seine Sachen mit Strängen Luft vom Deck auf. Einer dieser Rüpel hatte gekichert. Ein weiterer Strang Luft öffnete die Kabinentür, und sie drängte Lan und sein Schwert und alles andere hinein und schlug die Tür hinter ihnen zu.
    Licht, sie bezweifelte, daß selbst Calle Coplin zu Hause jemals so kühn gewesen war - und es kannten genauso viele Wächter von Händlern Calles Muttermal genauso gut wie ihr Gesicht. Aber dies war nicht dasselbe. Überhaupt nicht! Dennoch schadete es nicht, ein bißchen weniger ... eifrig zu sein. Sie führte ihre Hände erneut zu seinem Gesicht - nur um sein Haar noch ein wenig glatter zu streichen -, und er ergriff mit seinen großen Händen sanft ihre Handgelenke.
    »Myrelle ist jetzt mit mir verbunden«, sagte er ruhig. »Sie borgt mich dir aus, bis du einen eigenen Behüter findest.«
    Sie befreite ruhig ihre rechte Hand und schlug ihm so fest sie konnte ins Gesicht. Er bewegte kaum den Kopf, so daß sie auch die andere Hand befreite und ihn abermals schlug. »Wie konntest du?« Vorsichtshalber unterstrich sie die Frage mit noch einem weiteren Schlag. »Du wußtest, daß ich gewartet habe!« Noch ein Schlag schien notwendig, nur um es ihm zu verdeutlichen. »Wie konntest du so etwas tun? Wie konntest du es ihr erlauben?« Noch ein Schlag. »Verdammt seist du, Lan Mandragoran! Verdammt seist du! In den Krater des Verderbens sollst du verbannt werden. Verdammt seist du!«
    Der Mann - der verdammte Mann! - sagte kein Wort. Er hätte natürlich auch nichts erwidern können. Womit sollte er sich verteidigen? Er stand einfach nur da, während sie ihn mit Schlägen traktierte, regte sich nicht, und sein ungerührter Blick wirkte eigentümlich, so wie es auch war, wenn sie wegen ihm errötete. Auch wenn die Schläge wenig Eindruck auf ihn machten, begannen ihre Handflächen doch heftig zu brennen.
    Sie ballte grimmig eine Hand zur Faust und boxte ihn mit aller Kraft in den Bauch. Er stöhnte leise.
    »Wir werden dies

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