Der Doppelgänger
fortwährend nach der Wanduhr blickte. »Jetzt ist es drei Viertel auf neun; nun ist es Zeit zu gehen. Aber was wird nun geschehen? Was wird mir passieren? Ich möchte gern wissen, was sich da eigentlich Besonderes hinter dem Vorhang verbirgt, was für Absichten und Pläne sie haben, und was für Steine sie mir in den Weg werfen wollen. Es wäre gut, wenn ich erfahren könnte, was für ein Ziel eigentlich diese ganze Bande im Auge hat, und welches der erste Schritt ist, den sie unternehmen wollen ...« Herr Goljadkin konnte es nicht länger aushalten; er warf die noch nicht ausgerauchte Pfeife hin, zog sich an und ging in den Dienst, um womöglich die Gefahr aufzudecken und sich über alles durch seine persönliche Anwesenheit Gewißheit zu verschaffen. Aber Gefahr war vorhanden: das wußte er selbst, daß Gefahr vorhanden war. »Aber auch diese Nuß werden wir schon knacken!« sagte Herr Goljadkin, indem er den Mantel und die Überschuhe im Vorzimmer ablegte; »nun werden wir all diese Dinge sofort durchschauen.« Nachdem er in dieser Weise zu handeln beschlossen hatte, machte unser Held seinen Anzug zurecht, nahm eine wohlanständige Dienstmiene an und wollte eben in das anstoßende Zimmer treten, als plötzlich gerade in der Tür sein Bekannter und Freund von gestern mit ihm zusammenstieß. Herr Goljadkin der jüngere schien Herrn Goljadkin den älteren nicht zu bemerken, obwohl sich beinahe ihre Nasen berührten. Herr Goljadkin der jüngere war, wie es schien, sehr beschäftigt, hatte es eilig, irgendwohin zu kommen, und war außer Atem; er hatte eine solche Amts- und Geschäftsmiene, daß, wie es schien, jeder auf seinem Gesichte lesen konnte: »Mit einem besonderen Auftrage betraut ...«
»Ach, Sie sind es, Jakow Petrowitsch!« sagte unser Held und ergriff seinen gestrigen Gast am Arme.
»Später, später! Entschuldigen Sie mich; sagen Sie mir später, was Sie wünschen!« rief Herr Goljadkin der jüngere, indem er vorwärts strebte.
»Aber erlauben Sie, Jakow Petrowitsch; ich meine, Sie wollten ... hm ...«
»Was gibt's denn? Sagen Sie schneller, was Sie wünschen!«
Hier blieb Herrn Goljadkins gestriger Gast, anscheinend nur ungern und mit großem Widerstreben, stehen und hielt sein Ohr Herrn Goljadkin gerade an die Nase.
»Ich muß Ihnen sagen, Jakow Petrowitsch, daß ich über Ihr Benehmen erstaunt bin ... ein Benehmen, wie ich es ja wohl nicht erwarten konnte.«
»Alles hat seine gewiesene Form. Melden Sie sich bei dem Sekretär Seiner Exzellenz, und wenden Sie sich dann, wie es in der Ordnung ist, an den Herrn Kanzleivorsteher. Haben Sie eine Bittschrift? ...«
»Sie ... ich weiß gar nicht, Jakow Petrowitsch ... Sie setzen mich einfach in Verwunderung, Jakow Petrowitsch! Sie erkennen mich gewiß nicht, oder Sie machen infolge Ihres angeborenen heiteren Temperamentes einen Scherz.«
»Ah, Sie sind es!« erwiderte Herr Goljadkin der jüngere, als wenn er Herrn Goljadkin den älteren ebenerst erkannt hätte. »Also Sie sind es? Na also, haben Sie gut geschlafen?«
Hier lächelte Herr Goljadkin der jüngere ein wenig; aber er lächelte in einer amtlichen, förmlichen Manier und durchaus nicht so, wie es sich gehört hätte, da er doch jedenfalls Herrn Goljadkin dem älteren zu Dank verpflichtet war; und nachdem er so in amtlicher, förmlicher Manier gelächelt hatte, fügte er hinzu, er seinerseits freue sich sehr, daß Herr Goljadkin gut geschlafen habe. Dann verbeugte er sich ein wenig, trippelte ein wenig an ein und derselben Stelle umher, blickte nach rechts und nach links, schlug darauf die Augen zu Boden, richtete sie nach der Seitentür, und nachdem er hastig flüsternd bemerkt hatte, er habe einen besonderen Auftrag, schlüpfte er in das Nachbarzimmer und war verschwunden.
»Ist das eine tolle Geschichte! ...« flüsterte unser Held, der einen Augenblick ganz starr war; »ist das eine tolle Geschichte! Was soll das nur vorstellen? ...« Herr Goljadkin hatte ein Gefühl, als ob ihm Ameisen über den ganzen Leib liefen. »Übrigens,« fuhr er im stillen fort, während er in sein Dienstlokal ging, »übrigens habe ich so etwas ja schon lange gesagt; ich habe schon lange geahnt, daß er mit besonderen Aufträgen werde betraut werden ... gerade gestern habe ich gesagt, daß er unzweifelhaft ein Mensch sei, den man zu besonderen Aufträgen gebrauchen werde.«
»Haben Sie Ihr gestriges Aktenstück fertiggestellt, Jakow Petrowitsch?« fragte Anton Antonowitsch Sjetotschkin Herrn Goljadkin, als
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