Angst sei dein Begleiter: Thriller (German Edition)
1. Kapitel
H eute begrüßen wir Annalise Blakely im Studio, die Frau, die in Kansas City als die Puppenmacherin bekannt ist. Herzlich willkommen!« Cynthia Steward, die Moderatorin der Mittagsnachrichten von Kanal 41, lächelte Annalise an, und die Kamera schwenkte auf ihr Gesicht.
Annalise wehrte sich gegen das schiere Entsetzen, das sie bei Live-Auftritten stets überkam, und hoffte, dass ihr Lächeln, mit dem sie auf die Begrüßung reagierte, nichts von ihrer Nervosität verriet. »Danke für die Einladung, Cynthia.«
»Und ich habe erfahren, dass heute der dreißigste Geburtstag von Blakely Dollhouse ist«, sagte Cynthia, die blauen Augen in gespieltem Interesse aufgerissen, als wäre Annalise im Begriff, die letzten Geheimnisse der Menschheit zu enthüllen.
Annalise hasste Interviews und Publicity, doch sie waren ein notwendiges Übel, wenn sie den Traum ihrer Mutter fortführen wollte. »Ja, heute vor dreißig Jahren verkaufte meine Mutter ihre allererste Blakely-Puppe.« Annalise zeigte auf die Puppe in dem Schaukasten neben ihr. »Meine Mutter nannte sie Annalise, und wie Sie sehen, hatte sie echtes Haar und unglaublich aufwendig genähte Kleidung.«
»Ich habe in verschiedenen Berichten gelesen, dass sich der kleine Betrieb Ihrer Mutter zu einem florierenden Unternehmen gemausert hat.«
Annalise nickte und versuchte, die gewaltige Kamera zu ignorieren, die ihr rotes Licht auf sie gerichtet hielt. »Meine Firma hat mehr als zwanzig Angestellte, und wir produzieren etwa tausend Puppen pro Jahr. Diese verkaufen wir nicht nur für Kinder, sondern auch an Erwachsene, die die Qualitätsarbeit jeder einzelnen Kreation zu schätzen wissen.«
Ihr Loblied kam ihr mühelos über die Lippen. Schließlich hatte sie es ihre Mutter oft genug sagen hören. »Wir bringen pro Jahr zwei neue Puppen heraus, eine im Frühsommer und eine im Herbst«, fuhr sie fort. »Unser neuestes Modell habe ich mitgebracht, um es heute zum ersten Mal der Öffentlichkeit zu präsentieren.« Die Kamera schwenkte zu der Puppe hinüber, die neben dem Annalise-Modell stand. »Das ist unsere Birthday-Bonnie«, sagte Annalise. Stolz erfüllte sie beim Anblick ihrer jüngsten Kreation.
Die Puppe trug eine limonen- und pinkfarbene Caprihose und dazu eine pinkfarbene Bluse mit aufgestickten Luftballons auf dem Vorderteil. Ihr braunes Haar war zu Zöpfen geflochten, und ihr Porzellangesicht zeigte einen Ausdruck freudiger Überraschung.
»Wir werden fünfhundert Birthday-Bonnies herstellen, die allesamt numeriert und von mir persönlich signiert sind.«
»Es war uns eine Freude, Sie hier zu haben«, sagte Cynthia. »Und diejenigen unter Ihnen, die eine Blakely-Puppe kaufen möchten, fahren nach Riverfront zum ›Blakely Dollhouse‹ oder besuchen die Webseite www.blakelydollhouse.com .«
Der Wetteransager übernahm, und Annalise stand auf, froh, das Studio und den Stress des kurzen Interviews hinter sich zu lassen. Danika, ihre beste Freundin, wartete auf sie.
»Das war toll«, sagte Danika, als sie das Studio verließen und hinaus in die ungewöhnlich heiße Junisonne traten. »Ich verstehe nicht, warum du Interviews so sehr hasst. Du bist ein Naturtalent vor der Kamera.«
»Ja, klar, und ich fühle mich, als hätte sich mein Magen tausendfach verknotet.« Annalise legte die beiden Schachteln mit den Puppen in den Kofferraum von Danikas Auto und stieg an der Beifahrerseite ein.
»Ich habe genau das Richtige für deinen Magen«, sagte Danika und ließ den Motor an. »Drinks im Eddie’s.«
»Aber es ist erst Mittag, und ich muss zurück ins Geschäft«, protestierte Annalise. »Samantha hat die Vertretung nur bis ein Uhr übernommen.«
»Ich habe alles mit Samantha abgesprochen«, erwiderte Danika ungerührt. »Sie bleibt bis siebzehn Uhr und schließt den Laden. Du und ich, wir gehen ins Eddie’s und gönnen uns ein spätes Mittagessen und genug zu trinken, um dich ein wenig zu entspannen. Ich will keine Widerrede hören.«
In Annalise kämpfte das Pflichtbewusstsein gegen die Vorfreude, und Letztere trug schließlich den Sieg davon. Annalise konnte sich nicht erinnern, wann sie sich zuletzt Zeit genommen hatte, mit jemandem essen zu gehen. Ihre Arbeit schien einfach jede freie Minute zu beanspruchen.
Sie lehnte sich in ihrem Sitz zurück und stieß einen tiefen Seufzer aus, als ihr bewusst wurde, dass Danika für den Augenblick das Kommando übernommen hatte. Dass sie, Annalise, nichts tun musste, war wirklich ein seltenes
Weitere Kostenlose Bücher