Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Doppelgänger

Der Doppelgänger

Titel: Der Doppelgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij , Fedor Michajlovic Dostoevskij
Vom Netzwerk:
sich daran machte, die Worte auf das Papier zu werfen, der konnte schon im voraus erkennen, daß die Sache keinen harmlosen Ausgang nehmen werde und nicht wie ein einfaches Weibergezänk enden könne. In der Tiefe seiner Seele faßte er einen Entschluß, und in der Tiefe seines Herzens schwur er sich, ihn auszuführen. Allerdings wußte er noch nicht ganz genau, wie er dabei verfahren solle, d. h. richtiger gesagt, er wußte es überhaupt nicht; aber das war gleichgültig, das machte nichts aus! »Annahme eines falschen Namens und unverschämtes Benehmen, mein Herr, verhelfen in unserem Zeitalter nicht zum Erfolge. Annahme eines falschen Namens und unverschämtes Benehmen, mein Herr, führen zu nichts Gutem, sondern bringen zu Schaden. Grischka Otrepjew[Fußnote]war der einzige, der durch Annahme eines falschen Namens etwas erreichte, indem er das blinde Volk täuschte, mein Herr, und auch das dauerte nicht lange.« Trotz dieses letzteren Umstandes beschloß Herr Goljadkin noch so lange zu warten, bis die Maske von einigen Gesichtern abfallen und dies und das zur Klarheit gelangen werde. Dazu war zunächst nötig, daß die Bureaustunden möglichst bald zu Ende gingen, und bis dahin beschloß unser Held nichts zu unternehmen. Dann aber, wenn die Bureaustunden zu Ende wären, dann, sagte er sich, werde er seine Maßregeln ergreifen. Dann werde er wissen, wie er bei der Durchführung dieser Maßregeln zu verfahren habe, wie er seinen ganzen Operationsplan entwerfen müsse, um das Horn des Stolzes zu zerbrechen und die Schlange zu zertreten, die sich von Moder nährt und den Kraftlosen verachtet. Daß man ihn beschmutzte wie einen Lappen, an dem man sich die unsauberen Stiefel abwischt, das konnte Herr Goljadkin nicht dulden. Dazu konnte er seine Einwilligung nicht geben, und besonders nicht in dem jetzt vorliegenden Falle. Hätte die letzte Beschimpfung nicht stattgefunden, so hätte unser Held sich vielleicht dazu entschlossen, seinem Herzen Zwang anzutun, er hätte sich vielleicht dazu entschlossen, zu schweigen, sich zu fügen und nicht allzu hartnäckig zu protestieren; er hätte dann wohl ein bißchen gestritten, sich ein bißchen beklagt, hätte bewiesen, daß er im Rechte sei; dann hätte er ein bißchen nachgegeben; dann hätte er vielleicht noch ein bißchen nachgegeben; dann hätte er ganz zugestimmt; dann, namentlich wenn die Gegenpartei feierlich erklärt hätte, daß er im Rechte sei, hätteer sich vielleicht sogar versöhnt, wäre ein bißchen gerührt geworden; es wäre vielleicht sogar (wer hätte es wissen können?) eine neue Freundschaft erwachsen, eine feste, warme Freundschaft, noch herzlicher als die gestrige Freundschaft, so daß durch diese Freundschaft schließlich die Unannehmlichkeit einer recht unziemlichen Ähnlichkeit der beiden Personen ganz übertönt worden wäre und die beiden Titularräte höchst vergnügt gewesen wären und bis zum Alter von hundert Jahren zusammen hätten leben können usw. Sprechen wir schließlich alles aus: Herr Goljadkin begann sogar, es ein bißchen zu bereuen, daß er für sich und sein Recht eingetreten war und sich dadurch sofort eine Unannehmlichkeit zugezogen hatte. »Wenn er klein beigäbe,« dachte Herr Goljadkin, »wenn er sagte, daß er nur gescherzt habe, dann würde ich ihm verzeihen und um so eher, wenn er das laut eingestände. Aber ich lasse mich nicht wie einen alten Lappen beschmutzen. Ganz anderen Leuten habe ich nicht gestattet, mich zu beschmutzen; um so weniger werde ich erlauben, daß ein so heruntergekommener Mensch das versucht. Ich bin kein alter Lappen, mein Herr! ich bin kein alter Lappen!« Kurz, unser Held hatte seinen Entschluß gefaßt. »Sie selbst, mein Herr, tragen die Schuld!« Er hatte sich dazu entschlossen, Protest einzulegen, mit aller Macht Protest einzulegen, bis an die äußersten Grenzen der Möglichkeit. Das lag nun einmal in seinem Charakter! Daß man ihn beleidige, das konnte er unter keinen Umständen dulden, und noch weniger konnte er erlauben, daß man ihn wie einen alten Lappen beschmutze, und am wenigsten konnte er das einem ganz heruntergekommenenMenschen erlauben. Wir wollen übrigens nicht streiten, wir wollen nicht streiten. Wenn z. B. jemand Lust gehabt, ein starkes Verlangen verspürt hätte, Herrn Goljadkin in einen alten Lappen zu verwandeln, so wäre ihm das vielleicht gelungen, und er hätte ihn, ohne Widerstand zu finden, ungestraft in einen solchen verwandelt (Herr Goljadkin fühlte das manchmal

Weitere Kostenlose Bücher