Der amerikanische Investor (German Edition)
Der Streit letzte Nacht war heftig gewesen, und als seine Frau am Morgen die Wohnung verlassen hatte, lag er noch wie betäubt in seinem Bett. Nicht einmal ihre morgendlich schweren Schritte hatte er vernommen. Vermutlich war es die seit Wochen anhaltende Hitze, die ihn erschöpfte. Oder hatte ihn dieser Streit doch stärker angegriffen?
Er sah auf die weiße Wand, vor der sein Tisch stand. So schlimm war dieser Streit gar nicht gewesen und auf keinen Fall würde dieser Streit ihn davon abhalten können, sich gleich, mit gesammelter Kraft, in die Arbeit zu stürzen.
Er nickte und schloss die Augen. Den Kopf willensstark nach vorn gestreckt, geduckt, die braungebrannten Füße wie auf das Brett geklebt, so würde er heute mit dem Stift über die Seiten seines Notizbuches reiten, ein Surfer mit stahlblauen Augen in stetem Wirbel zwischen Himmel und Meer.
Wieder sah er auf die nackte Wand. Hatte er dieses Bild nicht schon gestern zur gleichen Stunde vor Augen gehabt und handelte es sich bei diesem Bild nicht sogar um eines der Fotobildchen, die sich sein Sohn vor kurzem aus einer Zeitschrift ausgeschnitten und mit Tesafilm über seinem Bett angebracht hatte? Das gelbe Surfbrett, der straffe und kräftige Körper, die wilde, vom Salzwasser verklebte blonde Mähne.
Er sah auf sein Notizbuch hinab. Heute war nicht gestern. Heute war ein anderer Tag. Heute hatte er doch bereits einen Satz im Kopf gehabt, den er sich unbedingt notieren wollte. Einen fassbaren Satz, der einen tiefen Eindruck in ihm hinterlassen hatte. Nur, wo war dieser Satz jetzt hin und was wurde in ihm erörtert? Hatte er diesen Satz selbst, aus eigener Kraft, geformt oder hatte er ihn aus einem fremden Mund empfangen?
Mit den Fingerknöcheln begann er sich in gleichmäßigem Takt gegen die Stirn zu klopfen. Wo war ihm dieser Satz begegnet? Er musste den Tag noch einmal von vorn durchgehen. Das Frühstück, eine Banane, hatte er in seinem Sessel zu sich genommen, und dann? … Er hatte den Ball eingesteckt und war mit dem Hund in den Park spaziert. Wie an allen diesen anderen heißen Vormittagen hatte er auch heute den Ball in den künstlichen Wasserlauf geworfen, der den steilen Hang des Parks hinabfließt. Anstatt den Ball jedoch zu ihm zurückzubringen wie sonst, war der Hund auf der anderen Seite des Ufers an Land gesprungen. In unmittelbarer Nähe von leicht bekleideten Menschen, die erschreckt zur Seite wichen, hatte er sich die Nässe aus dem Fell geschüttelt, mit einer übermütigen Bewegung des Kopfes den Ball in die Luft geworfen und war ihm dann den Hang hinunter hinterhergetobt.
Wieder fühlte er den Ärger des Vormittags in seinem Gesicht aufflammen und sah unter seinen Schreibtisch, wo der Hund lang ausgestreckt auf dem Bauch lag. Warum hob der Hund nicht den Kopf, wenn er zu ihm hinabschaute? Warum zuckte er nicht einmal mit den Augenlidern? Was war nur los mit dem Hund? Das hatte er sich schon im Park gefragt. Mehrmals hatte er ihn, nachdem auch er den Wasserlauf an einer schmalen Stelle überquert hatte, rufen müssen, und als der Hund dann endlich zu ihm zurückgetrottet kam, da hatte er den Ball nicht mehr bei sich.
Er lehnte sich zurück. Es kam ja gar nicht so selten vor, dass der Hund im Park seinen Ball versteckte oder wie absichtlich liegen ließ. Nur entfesselte dann die Frage: »Wo ist der Ball?«, bei ihm die allergrößte Lebhaftigkeit und im Nu kam er wieder von irgendwoher mit dem Ball im Maul angesprungen. Heute jedoch, ganz gleich wie er ihm die Frage gestellt hatte, ob er sie geflüstert, gezischt, gesäuselt oder mit spitzen Lippen vor sich hin geflötet hatte, schien sie dem Hund jedes Mal nur noch fremder geworden zu sein. Als würde gar nicht zu ihm gesprochen, mehr noch, als hätte ihn jeglicher Mut verlassen, hatte er seinen Kopf gesenkt und begonnen, mit einer Gleichgültigkeit, die seinem sonstigen Wesen zuwiderlief, an einem Grashalm herumzuknabbern.
Er holte tief Luft. Vermutlich war es die Gleichgültigkeit des Hundes, die ihn bewogen hatte, mit dieser Entschiedenheit nach dem Ball zu suchen. In jedes Gebüsch im näheren Umkreis war er mehrfach hineingekrochen, hatte irgendwann sogar angefangen, Steine zu wenden, und immer wieder hatte er dabei diese barfüßige, junge Frau erblickt, die plötzlich eine rote Sandale direkt vor seinem Gesicht hin und her baumeln ließ. Ob er nicht zufällig die dazugehörige zweite gesehen habe, hatte sie ihn gefragt, und sich, kaum, dass er den Kopf geschüttelt
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