Der Doppelgänger
darüber nicht böse. Ich habe heute selbst ein bißchen getrunken, lieber Freund... Nun sage mal, besinne dich mal, lieber Freund: bist du bei dem Sekretär Wachramejew gewesen?«
»Na, wenn es so steht, dann will ich wahrheitsgemäß sagen: ich bin da gewesen. Da will ich gleich auf dem Fleck ...«
»Na, das ist ja schön, Petruschka, das ist ja schön, daß du da gewesen bist. Du siehst, ich bin nicht ärgerlich... Nun, nun,« fuhr unser Held fort, der seinen Diener noch weiter zu begütigen suchte, ihm auf die Schulter klopfte und ihm zulächelte, »nun, also du hast ein bißchen getrunken, du Racker... hast für zehn Kopeken ein bißchen getrunken? Ja, ja, du Spitzbube! Na, das schadet nichts; na, du siehst, daß ich nicht böse darüber bin... ich bin nicht böse darüber, lieber Freund, ich bin nicht böse darüber...«
»Nein, ich bin kein Spitzbube, da können Sie sagen, was Sie wollen ... Ich bin nur zu guten Leuten herangegangen; aber ich bin kein Spitzbube und bin nie ein Spitzbube gewesen ...«
»Aber nein, nein, Petruschka! So höre doch, Petruschka! Ich schimpfe dich ja nicht, wenn ich dich einen Spitzbuben nenne. Ich sage das ja, um dir eine Freude zu machen; ich sage das in gutem Sinne. Damit schmeichelt man ja manchem Menschen, Petruschka, wenn man zu ihm sagt, er sei ein solcher Schlaukopf, ein so geriebener Bursche, daß er sich von niemandem betrügen und hinters Licht führen lasse. So etwas hört mancher gern ... Nun, nun, es macht nichts! Nun, sage mir jetzt nur ohne Umschweife, Petruschka, offenherzig, wie einem Freunde ... na, bist du bei dem Sekretär Wachramejew gewesen, und hat er dir die Adresse gegeben?«
»Ja, er hat mir auch die Adresse gegeben, auch die Adresse hat er mir gegeben. Er ist ein netter, freundlicher Beamter! ›Dein Herr‹, sagte er, ›ist ein guter Mensch, ein sehr guter Mensch; bestelle deinem Herrn nur eine Empfehlung von mir und meinen Dank und sage ihm, daß ich ihn sehr gern habe; ich schätze deinen Herrn sehr hoch! Weil dein Herr‹, sagte er, ›ein guter Mensch ist, Petruschka; und du, Petruschka‹, sagte er, ›bist auch ein guter Mensch.‹ Und da will ich gleich ...«
»Ach du mein Herrgott! Aber die Adresse, die Adresse! O du unzuverlässiges Subjekt!« Die letzten Worte sagte Herr Goljadkin fast flüsternd.
»Die Adresse ... er hat mir auch die Adresse gegeben.«
»Er hat sie dir gegeben? Na, wo wohnt er denn, dieser Goljadkin, dieser Titularrat Goljadkin?«
»Er sagte: ›Goljadkin findest du in der Schestilawotschnaja-Straße. Wenn du hinkommst,‹ sagte er, ›in die Schestilawotschnaja-Straße, dann rechts, die Treppe hinauf, im vierten Stock. Da wirst du Goljadkin finden,‹ sagte er.«
»Du Schurke!« schrie unser Held, der endlich die Geduld verlor. »Du Kanaille! Das bin ich ja! Da redest du ja von mir! Aber es gibt noch einen andern Goljadkin; ich rede von dem andern, du Schurke!«
»Na, meinetwegen! Was kümmert es mich! Meinetwegen! ...«
»Aber der Brief, der Brief...«
»Was für ein Brief? Es ist gar kein Brief dagewesen; ich habe keinen Brief gesehen.«
»Wo hast du ihn denn gelassen, du Schlingel?«
»Ich habe ihn abgegeben; ich habe den Brief abgegeben. ›Bestelle eine Empfehlung,‹ sagte er, ›und ich ließe danken; dein Herr ist ein guter Mensch. Bestelle deinem Herrn eine Empfehlung!‹ sagte er.«
»Aber wer hat das denn gesagt? Hat das Goljadkin gesagt?«
Petruschka schwieg ein Weilchen, sah seinem Herrn gerade in die Augen und grinste über das ganze Gesicht.
»Hör mal, du Racker,« begann Herr Goljadkin keuchend und vor Wut ganz außer sich, »was hast du mir da angetan! Nun sag mir nur, was du mir da angetan hast! Du hast mich zugrunde gerichtet, du Bösewicht! Völlig zugrunde gerichtet hast du mich, du unzuverlässiger Patron!«
»Na meinetwegen! Was kümmert es mich!« sagtePetruschka in entschiedenem Tone und zog sich hinter die Scheidewand zurück.
»Komm her, komm her, du Nichtswürdiger!«
»Ich komme jetzt nicht zu Ihnen; fällt mir nicht ein. Was kümmert es mich! Ich gehe zu guten Leuten ... Gute Leute leben ehrenhaft; gute Leute leben ohne Falschheit und sind niemals doppelt ...« Herrn Goljadkin wurden Arme und Beine starr und kalt wie Eis, und der Atem stockte ihm ...
»Ja,« fuhr Petruschka fort, »die sind niemals doppelt; die versündigen sich nicht gegen Gott und gegen ehrenhafte Leute ...«
»Du Taugenichts, du Trunkenbold! Schlaf dich jetzt aus, du Halunke! Aber morgen werde ich dir
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