Der Doppelgänger
Leute, welche bereit sind, Karolina Iwanownas Verteidigung zu übernehmen, eines Mädchens, das sich immer wohlgesittet benommen hat und zweitens durchaus ehrenwert ist und ferner, wenn sie auch die Jugend bereits hinter sich hat, doch dafür aus einer guten ausländischen Familie stammt, solche Leute kann man immer und überall finden, und mehrere Personen haben mich gebeten, dies in diesem meinem Briefe beiläufig in ihrem Namen zu erklären. In jedem Falle werden Sie seinerzeit alles erfahren, wenn Sie es nicht jetzt schon erfahren haben, trotzdem Sie sich nach der Angabe anständiger Leute an allen Enden der Residenz in schlechten Ruf gebracht haben, geehrter Herr, und folglich schon an vielen Stellen Mitteilungen, Ihre Person betreffend, hätten erhalten können. Zum Schlusse meines Briefes erkläre ich Ihnen, geehrter Herr, daß die Ihnen bekannte Person, deren Namen ich hier aus gewissen wohlanständigen Gründen nicht erwähne, die volle Hochachtung wohlgesinnter Leute genießt, zudem ein heiteres, angenehmes Wesen hat, wie im Dienste so auch im Verkehr mit allen vernünftig denkenden Leuten reüssiert, ihrem Worte und der Freundschafttreu bleibt und nicht hinter dem Rücken diejenigen beleidigt, mit denen sie öffentlich in freundschaftlichen Beziehungen steht.
»In jedem Falle verbleibe ich
Ihr gehorsamer Diener
N. Wachramejew.«
»P.S. Jagen Sie Ihren Diener fort: er ist ein Trunkenbold und macht Ihnen aller Wahrscheinlichkeit nach viel Mühe und Umstände; nehmen Sie doch an seiner Statt Jewstasi, der früher bei uns diente und augenblicklich ohne Stelle ist. Ihr jetziger Diener ist nicht nur ein Trunkenbold, sondern außerdem auch ein Dieb; denn er hat noch in der vorigen Woche ein Pfund Stückenzucker an Karolina Iwanowna für sehr billigen Preis verkauft, was er meines Erachtens nur tun konnte, wenn er Sie im kleinen und zu verschiedenen Zeitpunkten listig bestohlen hat. Ich schreibe Ihnen dies, weil ich Ihnen Gutes wünsche, obgleich gewisse Personen weiter nichts verstehen als alle Leute zu beleidigen und zu betrügen, namentlich einen jeden, der ehrenhaft ist und einen guten Charakter besitzt, und überdies über andere Leute hinter deren Rücken Verleumdungen verbreiten und die Handlungsweise derselben in ungünstigem Lichte darstellen, einzig und allein aus Neid, und weil sie für sich selbst solche ehrenhaften Beziehungen nicht in Anspruch nehmen können.
W.«
Nachdem unser Held Wachramejews Brief durchgelesen hatte, verharrte er noch lange in regungsloser Haltung auf seinem Sofa. Eine Art von neuem Lichte drangdurch den ganzen trüben, rätselhaften Nebel, der ihn schon seit zwei Tagen umgab. Unser Held begann zum Teil zu verstehen... Er wollte sich vom Sofa erheben und ein paarmal im Zimmer auf und ab gehen, um sich zu erholen, seine in Verwirrung geratenen Gedanken einigermaßen zu sammeln, sie auf einen bestimmten Gegenstand zu richten und dann, wenn er ein wenig in Ordnung gekommen wäre, seine Lage reiflich zu überlegen. Aber kaum machte er einen Versuch aufzustehen, als er sofort matt und kraftlos auf seinen bisherigen Platz zurücksank. »Ja gewiß, ich habe mir das alles vorhergedacht; aber in welcher Manier schreibt er nur, und was ist der gerade Sinn dieser Worte? Den Sinn verstehe ich allerdings; aber wohin wird dies alles führen? Wenn er geradeheraus sagte: ›So und so; das und das verlange ich;‹ dann würde ich seine Forderung erfüllen. Aber auf diese Art nimmt die Sache eine recht unangenehme Wendung! Ach, wenn es nur recht bald Tag würde und ich mich recht bald ans Werk machen könnte! Jetzt weiß ich, was ich zu tun habe. Ich werde sagen: ›So und so; auf Erörterungen bin ich bereit einzugehen; meine Ehre werde ich nicht verkaufen‹ usw. Übrigens wie hat er, diese gewisse Person, dieser unangenehme Mensch, es angefangen, sich hier einzumischen? Und wozu hat er sich eigentlich hier eingemischt? Ach, wenn es doch recht schnell Tag würde! Bis dahin bringen sie mich in üblen Ruf, intrigieren gegen mich und arbeiten auf meinen Schaden hin! Die Hauptsache ist: ich darf keine Zeit verlieren, sondern muß z. B. jetzt wenigstens einen Brief schreiben, in dem ich diese und jene Punkte mit Stillschweigen übergehe und mich mit diesen und jenen einverstanden erkläre. Und morgen, sowie es hell wird, muß ich ihn absenden, und ich selbst muß so früh wie möglich ... hm... und ihnen von der andern Seite entgegenarbeiten und diesen allerliebsten Leuten zuvorkommen ...
Weitere Kostenlose Bücher