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Der Doppelgänger

Der Doppelgänger

Titel: Der Doppelgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij , Fedor Michajlovic Dostoevskij
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begangen, daß ich ausgegangen bin... Ach wahrhaftig, das ist eine schwere Aufgabe!«
    Nachdem er sich auf diese Art aufrichtig gestanden hatte, daß er eine arge Dummheit begangen habe, lief unser Held wieder zurück nach seiner Wohnung in der Schestilawotschnaja-Straße. Er langte dort müde und matt an. Schon von dem Hausknechte erfuhr er, daß von Petruschka noch nichts zu sehen gewesen sei. »Na ja! Das habe ich mir doch gedacht!« sagte sich unser Held; »und dabei ist es schon neun Uhr. Nein, was ist er für ein Taugenichts! Immer muß er sich irgendwo betrinken! Herr du mein Gott! Ist das ein Unglückstag für mich!« Unter solchen Gedanken und Wehklagen schloß Herr Goljadkin seine Wohnung auf, machte Licht, zog sich ganz aus, zündete sich eine Pfeife an, legte sich erschöpft, müde, wie zerschlagen und hungrig auf das Sofa und warteteauf Petruschka. Die Kerze brannte trübe; der Lichtschein zitterte an den Wänden ... Herr Goljadkin schaute und schaute, dachte und dachte und versank endlich in einen totenähnlichen Schlaf.
    Als er erwachte, war es schon spät. Die Kerze war fast ganz heruntergebrannt, qualmte und war nahe daran, zu erlöschen. Herr Goljadkin sprang auf, schüttelte sich und erinnerte sich an alles, was vorgegangen war, schlechthin an alles. Hinter der Scheidewand war Petruschkas kräftiges Schnarchen zu vernehmen. Herr Goljadkin stürzte zum Fenster: nirgend war Licht zu sehen. Er öffnete die Luftklappe: es war still; die Stadt war wie ausgestorben; sie schlief. Also mußte es etwa zwei oder drei Uhr sein; und so war es auch: die Uhr hinter der Scheidewand holte mit Anstrengung aus und schlug zwei. Herr Goljadkin lief hinter die Scheidewand.
    Nach langen Bemühungen gelang es ihm durch Püffe und Stöße, Petruschka einigermaßen munter zu bekommen und ihn dahin zu bringen, daß er sich im Bette aufrichtete. In diesem Augenblicke erlosch die Kerze vollständig. Es dauerte etwa zehn Minuten, bis Herr Goljadkin eine andere Kerze gefunden und angezündet hatte. Unterdessen hatte es Petruschka fertig gebracht, von neuem einzuschlafen. »So ein Schurke, so ein Taugenichts!« rief Herr Goljadkin, während er ihm von neuem Püffe versetzte. »Wirst du wohl aufstehen? Wirst du wohl aufwachen?« Nach einer halbstündigen Anstrengung glückte es Herrn Goljadkin aber doch, seinen Diener vollständig in Bewegung zu bringen und ihn hinter seiner Scheidewand hervorzuziehen. Erst hier erkannte unser Held, daßPetruschka, was man nennt, sternhagelvoll war und sich kaum auf den Beinen hielt.
    »Du Faulpelz!« schrie Herr Goljadkin; »du Nichtswürdiger! Du hast mir ja den schwersten Schaden zugefügt! Herr Gott, wo hast du nur den Brief gelassen? Ach, du mein Schöpfer, wie soll der Brief nun ... Und warum habe ich ihn überhaupt geschrieben? Brauchte ich ihn denn zu schreiben? Ich habe mich von meinem übermäßigen Ehrgefühl hinreißen lassen, ich Dummkopf! Dahin hat mich meine Empfindlichkeit gebracht! Das hast du nun von deinem Ehrgefühl, du Schuft; das hast du von deinem Ehrgefühl!... Na, du da! Wo hast du den Brief gelassen, du Halunke? An wen hast du ihn abgegeben?...«
    »An niemanden habe ich einen Brief abgegeben; ich habe überhaupt keinen Brief gehabt ... so ist die Sache!«
    Herr Goljadkin rang vor Verzweiflung die Hände.
    »Hör mal, Petruschka; hör mal zu; hör mal, was ich dir sagen will ...«
    »Na ja, ich höre.«
    »Wo bist du hingegangen? Antworte!...«
    »Wo ich hingegangen bin? Zu guten Leuten bin ich hingegangen! Weiter geht mich nichts an!«
    »Ach du mein Herrgott! Wo bist du zuerst hingegangen? Bist du in der Kanzlei gewesen?... Hör mal, Petruschka: du bist wohl betrunken?«
    »Ich betrunken? Da will ich doch gleich auf dem Fleck krepieren, da will ich ...«
    »Nein, nein, das macht ja nichts, daß du betrunken bist... Ich habe nur gefragt; es ist ganz gut, daß dubetrunken bist; ich schelte ja nicht, Petruschka, ich schelte ja nicht... Du hast es vielleicht für einen Augenblick vergessen und wirst dich an alles wieder erinnern. Nun also, besinne dich mal: bist du bei dem Sekretär Wachramejew gewesen? Bist du da gewesen oder nicht?«
    »Ich bin nicht bei ihm gewesen; so einen Sekretär gab es gar nicht. Da will ich gleich auf dem Fleck ...«
    »Nein, nein, Petruschka! Nein, Petruschka, ich schelte ja nicht; du siehst ja, daß ich nicht schelte... Na, was ist denn dabei? Draußen ist es kalt und naß; da trinkt der Mensch ein Schlückchen; das schadet ja nichts. Ich bin

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