Der Dschunken Doktor
mit den Armen um sich, seine Beine zuckten wild, vor seinem Blick lösten sich alle Formen in zerplatzende Sterne auf … es waren die letzten Sekunden, in denen sich auch sein Darm entleerte.
Tu Ta-ma, 42 Jahre alt, Schmuckhändler in der Ningpo Street von Kowloon, verheiratet, Vater von fünf Kindern, blieb von diesem Abend an verschwunden. Seine Frau stellte bei der Polizei keinen Suchantrag, die Kinder sprachen nie mehr über den Vater, das Schmuckgeschäft betrieb die Frau weiter, jeden Monat kamen 1000 Hongkong-Dollar anonym auf ihr Bankkonto.
Wer sollte da nach einem Mann fragen, der doch nie wiederkam?!
/Die schöne unbekannte Mörderin im Hospital schien mit der Frage nach Yo ihren Vorrat an Worten erschöpft zu haben. So sehr sich Dr. Merker bemühte, weitere Worte aus ihr herauszulocken – mehr als das geheimnisvolle, irgendwie erstarrte Lächeln erreichte er nicht.
Die Laborbefunde der Leberproben lagen nun vor. Dr. Merker hatte selbst an den Analysen teilgenommen, während einer der Assistenzärzte oder sogar der Chefarzt des Military Hospitals selbst, der immer steife und immer noch protestierende Oberstleutnant, die Wache bei der Kranken übernahm. Die Ergebnisse waren katastrophal, so wie es Dr. Wang An-tse vorhergesagt hatte: Die Leberzellen zersetzten sich, ohne daß man in den besten Mikroskopen irgendein Virus oder einen zerstörenden Parasiten ausmachen konnte. Ein Gegenmittel gab es nicht.
Krankheiten kommen niemals von nichts … sie haben immer einen Erreger. Diese simple Grundüberzeugung veranlaßte Dr. Merker, sich von jetzt ab voll und ganz diesem rätselhaften Auflösungsprozeß von Leberzellen zu widmen. Einer der Schlüssel zu dem Geheimnis war die Kranke selbst: Wer war sie, woher kam sie, wo hatte sie sich vor dem Mord an Reginald Marcus Rogers aufgehalten, warum hatte sie ihn getötet, warum sprach sie kein Wort?
Drei Stunden nachdem die Unbekannte nach Yo gefragt hatte, kam Kommissar Ting Tse-tung ins Military Hospital. Er sah zerknittert aus. Der Mord im Juno Revolving Restaurant war nur einer der Fälle, die er zu bearbeiten hatte. In den vergangenen Tagen waren sieben Tötungen, dreizehn versuchte Morde und neunzehn Raubüberfälle mit schwerer Körperverletzung vorgekommen, allein in Kowloon. Das Kommissariat, an sich schon das größte von Hongkong, arbeitete rund um die Uhr. Für den Sonderfall »Juno« war eine Spezialtruppe gebildet worden, die aus zehn Beamten bestand. Kriminalistisch stand man – das mußte zugegeben werden – bei Null. Die einzige Hoffnung waren die Mediziner.
»Was macht unsere Schöne?« fragte Ting, als er Dr. Merker auf dem Flur vor dem Krankenzimmer begegnete.
»Sie lächelt und stirbt langsam …!« Es klang resignierend. »Und was haben Sie erreicht, Kommissar?«
»Wir wissen, wer Mr. Rogers war. Ein Importeur von Kunstblumen. Täuschend echt wirkende Nachbildungen aus Kunststoff und Seide.«
»Das ist doch etwas, Mr. Ting!«
»Es hilft gar nichts! Hier in Hongkong gibt es Hunderte von Betrieben, die Kunstblumen herstellen. Hinzu kommen Macao und Taiwan. Wo soll man da suchen? Hongkong lebt vom Export von Uhren, Hemden, Kunstblumen, Feuerwerkskörpern, optischen Geräten und überhaupt allem, was sonst in der Welt doppelt oder dreifach teurer ist. Bei Ihnen in Deutschland gibt es fast mehr Made in Hongkong als Made in Germany. Wo auch immer ein Gebrauchsartikel auftaucht, der Gewinn verspricht … in kürzester Zeit wird er hier bei uns nachgebaut und für die Hälfte des Preises verkauft. Jetzt suchen Sie mal die Kunstblumenhersteller, mit denen Mr. Rogers verhandelt hat!«
»Er hatte keine Unterlagen bei sich?«
»Nichts! Die einzige Liste, die wir bei ihm im Gepäck gefunden haben, war eine sehenswerte Aufstellung der Puffs von Hongkong und Kowloon.«
»Wäre das kein Hinweis?«
»Nein. Wenn Sie daran denken sollten – die Spur unserer Schönen führt bestimmt in kein Bordell. Das wäre zu simpel. – Auch die anderen Mörderinnen kamen aus dem Nichts. Bei dreien haben wir wirklich alle Bordelle durchgekämmt, soweit sie uns bekannt waren … völlig sinnlose Arbeit. Natürlich haben wir eine Liste der Seidenblumenfabrikanten zusammengestellt, wir haben auch aus San Francisco Fotokopien von Rogers Korrespondenzen angefordert. Was kam dabei heraus? Im Büro Rogers existieren keine Schriftwechsel mit Firmen in Hongkong, dagegen Geschäftsverbindungen nach Taiwan und Rotchina! Es sieht so aus, als habe Rogers hier in Hongkong
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