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Der Dschunken Doktor

Der Dschunken Doktor

Titel: Der Dschunken Doktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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trinken konnte! – Warum haben Sie bei Ihren Obduktionen nie das Gehirn dargestellt?«
    »Es war ein Lebertod, Herr Kollege!« sagte Dr. Wang steif. »Bei einer Embolie sezieren Sie ja auch nicht den Darm.«
    »Da gebe ich Ihnen recht.« Dr. Merker winkte Dr. Wang freundlich zu. »Noch eine gute Nacht, Herr Kollege.«
    Grußlos verließ Wang An-tse den Raum und zog die Tür hinter sich zu. Vor den hölzernen Klappwänden, die den Flur zum Krankenzimmer absperrten, döste ein Soldat auf einem Korbsessel. Er tippte an seine Mütze, als Dr. Wang an ihm vorbeiging. Kommissar Ting hatte diese Wache verlangt – man hielt sie in der Ärzteschaft des Military Hospitals für reinen Blödsinn, aber hinter Ting stand eine Sondervollmacht des Gouverneurs. Das genügte. Beim Militär stellt man keine unnützen Fragen!
    Am darauffolgenden Tag, einem Freitag, abends gegen neun Uhr, passierte der Unfall, den niemand beachtete, weil er völlig undramatisch war und in dem Gewirr des abendlichen Verkehrs überhaupt nicht auffiel.
    Dr. Wang hatte pünktlich um 20 Uhr Dr. Merker im Hospital abgelöst und die Nachtwache übernommen. Der Kranken ging es unverändert … war sie wach, lächelte sie maskenhaft; schlief sie, fiel ihr Gesicht ein, als löse sich das Fleisch von den Schädelknochen.
    »Hat sie wieder von Yo gesprochen?« fragte Dr. Wang leichthin.
    »Nein. Jetzt ist sie stumm.«
    »Ich sagte es Ihnen voraus, Herr Kollege.«
    Dr. Wang und Dr. Merker diskutierten dann noch fast eine Stunde über die Sektionsberichte der vier ähnlich gelagerten Fälle, dann rief Dr. Merker im Peninsula Hotel an, erfuhr, daß im Gaddi's, dem Gourmetlokal, kein Platz mehr frei sei, und entschloß sich, in dem anderen Feinschmeckertempel von Kowloon, in Hugo's Restaurant, auf dem zweiten Stockwerk des Hyatt Regency Hotels, wie ein Fürst zu essen.
    Er hatte Glück, fand einen Parkplatz in der Carnarvon Road und ging die paar Meter zu Fuß. Hier, kurz vor der Kreuzung mit der Nathan Road, der Lebensader von Kowloon, geschah es: Ein silbergrauer Rolls-Royce erfaßte ihn von hinten mit dem linken vorderen Kotflügel, gab ihm einen kräftigen Stoß, schleuderte ihn gegen einen parkenden Rover und bremste sofort, noch bevor sich Merker herumdrehen konnte. Er war nicht hingefallen, war auch nicht verletzt, nur sein Hinterteil schmerzte von dem Anprall. Eine Lappalie, die man kaum noch einen Unfall nennen konnte.
    Aus dem Rolls, über eine halb heruntergelassene Scheibe hinweg, starrten ihn zwei entsetzt geweitete Augen an. Darüber war nichts als ein Gebirge blonder Locken. »Mein Gott!« sagte ein plötzlich auftauchender, intensiv roter Mund. »Bleiben Sie an den Wagen gelehnt stehen, rühren Sie sich nicht … ich rufe sofort die Ambulanz! Ich schwöre Ihnen: Ich habe Sie nicht gesehen …«
    Dr. Merker klopfte sich den Staub vom Anzug, machte eine vorsichtige Kniebeuge und schlenkerte mit den Armen. Da alles funktionierte und er – bis auf den Prellungsschmerz in seinem Hinterteil – nichts weiter spürte, winkte er ab, zog sein Jackett gerade und trat an den schweren Wagen heran. Er sah, daß der Rolls von der jungen Dame allein gefahren wurde.
    »Es ist nichts passiert«, sagte er und lächelte beruhigend in die noch immer weit aufgerissenen Augen. »Sie sehen: Ich stehe, ich gehe, ich spreche, und ich habe auch noch meinen Hunger, was also innere Verletzungen ausschließt.«
    »Sie … Sie waren plötzlich da …«, stotterte die junge Frau. »Erst bei dem Aufprall habe ich Sie gesehen …«
    »Ich wollte die Straße überqueren …«
    »Es ist einwandfrei meine Schuld. Sie haben wirklich keine Schmerzen?«
    »Bestimmt nicht.«
    »Aber einen Schock!«
    »Ich weiß nicht.« Dr. Merker sah die junge Dame mit Wohlgefallen an. Sie trug ein weit ausgeschnittenes Kleid mit Spaghettiträgern; es gab gerade so viel von ihren Körperformen frei, daß man es eben noch schicklich nennen konnte. Ihre Beine konnte er nicht sehen. Sie müssen enorm lang und schlank sein, dachte er. Sie ist genau der Typ der wohlgerundeten, großen, langbeinigen Blonden, bei deren Anblick die Männer wäßrige Augen bekommen. »Ich habe das Gefühl, in einen besonders schönen Abend hineingestoßen worden zu sein. Das könnte ein Schock sein …«
    »Furchtbar!« Die schöne Blonde schien untröstlich, ihre roten Lippen zitterten. »Bitte, steigen Sie ein, Mr …«
    »Fritz Merker. Aus Hamburg.«
    »O Gott, auch noch ein Tourist?«
    »Nein. Ich wohne in Hongkong.«
    »Ich bin

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