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Der Dschunken Doktor

Der Dschunken Doktor

Titel: Der Dschunken Doktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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seine ersten Besprechungen mit neuen Fabrikanten gehabt.«
    »Ohne eine einzige Notiz? Das gibt es doch nicht!«
    »Wir müssen mit dem rechnen, was wir haben. Und das ist mehr als wenig!« Ting Tse-tung nickte zu dem Krankenzimmer hin. »Wie benimmt sie sich?«
    »Wie eine lächelnde Schaufensterpuppe.«
    »Könnte sie unter Hypnose stehen?«
    »Nein.«
    »Unter einem sehr lange wirksamen Rauschgift?«
    »Möglich. Aber es gibt kein Narkotikum, das länger als fünf Tage wirkt.«
    »Ich sehe sie mir mal an.«
    Kommissar Ting betrat das Krankenzimmer und erschrak. Das Gesicht der vor kurzem noch so schönen Frau fiel in sich zusammen, die Backenknochen traten härter hervor, die Haut wurde gelblich-fahl, der schlanke Körper schien sich selbst zu verzehren. Die Veränderung von einem Tag zum anderen war entsetzlich.
    Ting hielt sich nicht lange mit Vorreden auf. Er setzte sich auf die Bettkante, faßte mit beiden Händen nach dem Kopf der Unbekannten und drehte ihr Gesicht zu sich herum. Sie lächelte … aber es war mehr eine Fratze, die ihn angrinste.
    »Du stirbst!« sagte Ting grob. »Du liegst hier und bist in ein paar Tagen tot. Keiner kann dich retten. Auch Yo nicht. Oder kann Yo dich retten? Hat er gesagt, daß er dir immer helfen kann und wird? Er hat dich belogen. Du hast alles getan, was er wollte, und nun liegst du hier und mußt sterben, weil Yo dich verraten hat. Er hat dich einfach weggeworfen wie ein Stück Dreck. Du stirbst …«
    Die Unbekannte reagierte nicht. Nur ihr Mund öffnete sich etwas, ihre Zunge wurde sichtbar, und sie war gelb. Ting erhob sich schnell und trat drei Schritte vom Bett zurück, als könne er sich anstecken.
    »Kann es sein, daß die Krankheit außer der Leber auch das Gehirn angreift und es weitgehend lahmlegt?«
    »Möglich. Wir haben gestern punktiert. Im Liquor ist nichts Außergewöhnliches zu finden.« Dr. Merker hob die Schultern. »Ich werde … später das Hirn genau untersuchen.«
    »Sie ist doch nur noch eine atmende Hülle, das sehen wir jetzt. Du lieber Himmel, was steht uns bevor, wenn man diese Krankheit beliebig produzieren kann wie Oberhemden und Schlüsselanhänger!«
    »Es überträfe die Wirkung einer Atombombe, weil es lautlos und unbemerkt geschieht. Und es gibt keine Nachstrahlungen, keine Verseuchungen.« Dr. Merker strich sich mit beiden Händen über das Gesicht. »Das wäre unfaßbar.«
    »Ich glaube, wir haben wenig Zeit, Doktol Melkel«, sagte Ting rauh. »Sie sollten schnell an das Hirn herankommen …«
    »Sofort, wenn sie gestorben ist.«
    »Das könnte sich hinziehen …«
    »Kommissar Ting!« Dr. Merker drückte das Kinn an. Ting Tse-tung schien nicht im geringsten verlegen. »Ich möchte Ihre Bemerkung nicht verstanden haben.«
    »Sie ist tot!«
    »Sie atmet noch …«
    »Ein funktionsloser Blasebalg!«
    »Mr. Ting, ich muß es leider aussprechen: Ich werde mich mit der asiatischen Mentalität nie ganz befreunden können. Ich habe das begriffen, als ich über den Markt gegangen bin. Da hingen an Gerüsten und Eisenhaken geköpfte dicke Schlangen, aber ihre Leiber ringelten sich noch, schnellten hin und her, zuckten mit allen Fasern. Und da geht man hin, sagt, ich möchte ein so oder so langes Stück, und man schneidet dieses Stück von den herumschnellenden Schlangenleibern ab. Oder in einem Drahtkäfig kriechen kleine Leguane herum … ein Käufer kommt, zeigt auf eines der Tiere, man nimmt es, dreht es auf den Rücken, schlitzt ihm den Bauch auf und weidet es bei lebendigem Leib aus. Und Frauen und Kinder stehen herum, sehen zu und finden das ganz natürlich.« Dr. Merker holte tief Atem. »Nichts anderes ist es, woran Sie jetzt dachten, Mr. Ting! Das Hirn herausnehmen …«
    »Ich habe nur daran gedacht, die Leiden dieser armen Frau abzukürzen«, sagte Ting Tse-tung ruhig. »Und ich habe natürlich auch unsere Zeitnot einkalkuliert. Im übrigen, was Sie da gesehen haben mit den Schlangen und Leguanen … warum regt Sie das auf? Werfen Sie uns einen Mangel an Erkenntnis gegenüber Grausamkeiten vor? Sie übersehen, daß Sie im Westen einen lebenden Hummer aussuchen, den man dann lebend ins kochende Wasser wirft, damit er rot wird. Keine Grausamkeit? Oder das alljährliche Niederknüppeln von Seehundbabys in Labrador, die, zum Teil noch lebend und schreiend, enthäutet werden. Was ist das, Sir? Eins gewiß nicht: Diese Schlächter sind keine Asiaten. Es sind sogar Christen. Nach getaner Blutarbeit werden sie in ihren Kirchen stehen und

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