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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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Wellen, aber mehr noch wurde Evelyns Standfestigkeit durch die zwei Martinis erschüttert, die sie vor einigen Stunden auf nüchternen Magen getrunken hatte.
    »Talofa« , begrüßte der Junge sie und half ihr mit seiner bronzefarbenen Hand, den Schritt auf das geräumige, vom Sonnendach beschirmte Boot zu wagen. Ihr folgten noch vier weitere Passagiere, doch Evelyn achtete nicht auf sie. Wieso auch, angesichts dieser farbigen, duftenden, unbekannten Welt! In Scharen jagten fliegende Fische dahin, die im Gegenlicht funkelten wie Wasserstrahlen, und nur wenige Meter über ihnen schlugen schreiende Seeschwalben wilde Kapriolen. Die Küste, ein smaragdgrüner Blättermantel hinter einem Geflecht aus Sand, Felsen und umgestürzten Bäumen, war nur zwei Steinwürfe entfernt. Hier und da schimmerte das Weiß der Häuser hindurch.
    Das Handy meldete sich mit den ersten Takten von Beethovens fünfter Sinfonie. Dazu blinkte die Anzeige auf: Carsten. Evelyn zuckte kurz zusammen. Ihr erster Impuls war, das Gespräch anzunehmen und Carsten alles zu erklären. Er war geduldig. Er würde ihr keine Vorwürfe machen, nicht, wenn sie ihm alles sofort erklärte. Aber dann erinnerte sie sich an das Versprechen, das sie sich selbst gegeben hatte: Du darfst auf keinen Fall mit ihm sprechen. Wenn du es trotzdem tust, gehst du vor die Hunde. Du hast nur noch diese eine Chance.
    Nach kurzem Zögern drückte sie seinen Anruf einfach weg. Die Anzeige ließ sich noch einen Moment Zeit, dann verblasste sie ganz langsam, und für Evelyn war es, als stürbe ihre Ehe in diesem Moment.
    Sie seufzte erschöpft, lehnte sich an die Bootswand und tauchte ihren Arm in das warme Wasser. Es war so klar, dass die bizarren Tupfer der Korallen bis zur Oberfläche leuchteten, und vereinzelt ragten die Buckel der Riffe aus
diesem bunten Teppich hervor, gekrönt von Kindern, die geduldig auf ihre Angelschnur schauten. Je näher das Boot seinem Bestimmungsort kam, desto durchscheinender wurde der Küstenwald und gab den Blick frei auf Villen mit Spitzgiebeldächern im Kolonialstil, von schlanken Holzsäulen umgürtete Veranden, auf runde Pavillons inmitten satter Rasenflächen …
    Erneut meldete sich das Handy, diesmal mit einem einfachen lauten Piep. Eine Nachricht von Carsten erschien auf der Anzeige, nur drei Worte: Wo bist du?
    Sie schluckte, zitterte. Diesmal drückte sie die Botschaft nicht weg, sondern ließ das Handy einfach ins Wasser fallen. Der Passagier neben ihr sah sie wie eine Verrückte an, der samoanische Junge hingegen strahlte und beobachtete mit ihr zusammen, wie das Ding, angestupst von neugierigen Fischen, langsam vom Türkis der Lagune verschluckt wurde.
    Der Junge nickte ihr anerkennend zu und lobte auf Englisch: »Bravo. Sie sind die erste Touristin, die so etwas macht.«
    »Ich bin keine Touristin«, sagte sie. Sie war keine Touristin. Sie war auf der Flucht.
     
    Die Südsee. Evelyn hatte sich nie wirklich ein Bild von dieser riesigen Region gemacht, in die Europa gewiss dreißigmal hineinpasste. Sie musste an einige Bücher denken, die sie vor vielen Jahren gelesen hatte, zum Beispiel an Somerset Maughams Erzählungen, an Defoes Robinson Crusoe und an die Meuterei auf der Bounty . Holländische Seefahrer mit Abenteurerblut hatten vor vier Jahrhunderten erste Berichte über diese Welt geliefert, und etwas später kreuzte Kapitän Cook zwischen den Hunderten kleiner Inseln des Pazifiks – und fand hier den Tod. Und hatte Astrid Lindgren ihre Pippi Langstrumpf nicht zeitweise in die Südsee
geschickt? Aber was war die Südsee? Tahiti, fiel ihr ein, Fidschi vielleicht noch. Paul Gauguin hatte die Südsee gemalt, irgendein Schlagersänger hatte sie in den Siebzigern mit »Bora, Bora« besungen, wo immer das genau lag. Klischees bestimmten ihre Vorstellung: scheu kichernde Mädchen in Baströckchen, Trommeln, Menschenfresser. Die gab es heute natürlich nicht mehr, so viel war Evelyn klar, dennoch führte sie diese Reise auf unbekanntes, unvertrautes Terrain.
    »Aggie Greys?« Kaum hatte Evelyn das Boot verlassen und die Hafenmole der samoanischen Hauptstadt Apia betreten, sprach sie ein Mann an. Er wies auf ein Cabrio-Taxi und wiederholte seine Frage: »Aggie Greys?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Evelyn Braams«, stellte sie richtig, was sie im nächsten Moment blödsinnig fand, weil ihr Name für einen samoanischen Taxifahrer absolut unerheblich war.
    Er dachte offenbar genauso darüber, denn er fragte kichernd: »Ob Sie zum Aggie

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