Der Duft der Pfirsichblüte: Eine Australien-Saga (German Edition)
wegmachen. Und wir werden damit viel Geld verdienen.«
Zum ersten Mal keimte der Gedanke an Flucht in ihr auf.
Der Oktober neigte sich dem Ende zu, und die australische Sonne begann, das Land zu verbrennen. Die Menschen sprachen von einem Jahrhundertsommer, der so heiß wie nie zuvor werden würde und trocken wie eine Wüste.
»Sie jammern jedes Jahr«, stellte Mr. Arthur gelangweilt fest. »Sie jammern und wünschen sich den englischen Regen herbei, den sie daheim in England verflucht haben. Leute sind niemals zufrieden mit dem, was sie bekommen.«
Ihn fand Penelope hingegen höchst zufrieden. Das Einzige, was zu seinem vollkommenen Glück fehlte, war nicht etwa englischer Regen, sondern der Pardon des Gouverneurs. Lachlan Macquarie galt als großzügig, was Pardons anging, allein an Arthur Hathaway schien seine Güte jedes Mal vorbeizugehen. Penelope überlegte, dass wohl Arthurs Arbeit in Crossleys Kanzlei der Schlüssel zum Pardon sein könnte. Man hörte gelegentlich, dass er seine Aufgabe dort nicht immer ernst nahm. Doch wagte sie Carrie nicht danach zu fragen. Seit sich die heimlichen Treffen auf dem Wäschespeicher häuften, strich die Freundin sich wohlgefällig über die nach einer Liebesnacht pralle Brust und schwärmte davon, dass der Schössling in ihrem Schoße so gut wie angewachsen sei.
Für Arthur Hathaway liefen die Dinge perfekt. Nicht nur erhielten sie die Nachricht, dass Captain Hathaway erst mit dem nächsten Schiff im Winter heimkehren würde, Arthurs Stellung im Hathaway’schen Haushalt mithin erst mal unangefochten blieb. Vielmehr schaffte er es, den Gouverneur endgültig auf sich aufmerksam zu machen.
Das alljährliche Pferderennen hatte halb Sydney auf die Beine gebracht, was bei der Hitze ein echtes Kunststück war. Man riskierte dennoch verschwitzte Kleider und Schweißränder, um gesehen zu werden. Aus allen Eckender Provinz waren sie angereist, selbst vom Fuß der Blauen Berge, wo zivilisierte Menschen nur selten anzutreffen waren; weil die Kettenkerle mit dem Bau der Straße einfach nicht vorankamen, waren freie Siedler gekommen, um den größten Tag des Koloniejahres mitzuerleben.
Dr. D’Arby Wentworth erklärte jedem mit lebhaftem, beinahe jugendlichem Gesicht, dass er selbst gerne reiten würde, wenn das Knie doch nicht so schmerzen würde. Man ließ ihm seine Geschichte, schließlich wusste jeder, wie er vor allem seinem jungen Jockey zugetan war. Und der verstand sich wahrlich aufs Reiten, kolportierten die Herren belustigt und überlegten, ob Madam Wentworth ihn wohl auch so gut kannte.
Mrs. Hathaway fächerte sich kopfschüttelnd Luft zu und zog Elsa die Haube über die Ohren, damit sie nicht alles mit anhörte, was gesprochen wurde. Da keines der vier überaus lebhaften Kinder hatte zu Hause bleiben wollen, genügte ein Kindermädchen nicht, und man hatte für Penelope einen himmelblauen Umhang aus dem Spind geholt und sie Carrie helfend zur Seite gestellt.
Penelope fand sich zum ersten Mal in ihrem Leben in einem Umfeld wieder, wo man leicht vergessen konnte, dass diese Kolonie auf dem Rücken von Sträflingen erbaut worden war. New South Wales hatte über die Jahre eine ganze Anzahl von freien Bürgern aus England mit der Aussicht auf ein Leben in Wohlstand angelockt – sie mischten sich hier unter die Angehörigen der kolonialen Regierung, des Offizierscorps und einige wenige, die es nach Ableistung ihrer Strafe zu Ansehen und Reichtum gebracht hatten. Eine höchst eigenartige Mischung und für Londoner Verhältnisse undenkbar, wie Mrs. Blaxland alle Umstehenden stolz wissen ließ. »Wir hier in New South Wales geheneben mit der Zeit – der alte Adel ist tot!« Mrs. Blaxland war die Gattin eines der reichsten Männer in Sydney, und für diese ketzerischen Gedanken wurde sie höflich belächelt, schließlich war sie nur eine Frau.
Penelope wusste gar nicht, wohin sie ihren Kopf als Erstes wenden sollte. Die Pracht der Kleider und Uniformen war atemberaubend, der Duft von schwerem Parfüm und Puder erfüllte die Luft. Von zierlichen Sonnenschirmen raschelte die Spitze, spielerisch drehte so manche Dame ihren Schirm auf der Schulter, um beachtet zu werden.
Mr. Arthur spazierte durch die Ränge, grüßte diesen und jenen, allesamt Klienten, die er in der Schreibstube des Anwalts empfangen hatte, und hielt ein Schwätzchen mit den Wichtigsten unter ihnen. Er wusste genau, wer welche Pferde besaß, in welchem Rennen sie laufen würden und wie viel man auf sie
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