Der Duft der Pfirsichblüte: Eine Australien-Saga (German Edition)
Na, wenn sie ihre Strafe verbüßt hat, wirst du sie schon wiedertreffen«, hatte sie geschnarrt, ihre Schlüssel an den Gürtel gehängt und Mary an ihren Platz im Nordflügel geschickt.
Als Dr. Kreuz im Gefängnis nach einer Fiebernden sah, ergriff Mary daher die Gelegenheit, verließ ihren Arbeitsplatz und trat ihm in den Weg.
»Ich erinnere mich an dich«, sagte er erstaunt. »Gott hat dich das furchtbare Unglück überleben lassen!« Nach dem Kind fragte er nicht. Kinder starben halt, das wusste niemand so gut wie ein Arzt. Er fragte auch nicht nach ihr und was sie hier trieb. Er versprach ihr nur, Penelope zu holen. Befriedigt sah sie, wie seine Augen ein wenig zu schimmern begannen. Er würde auf ihre Tochter aufpassen, bei ihm war sie in guten Händen. Und es fühlte sich nur noch halb so schlimm an, in ihren Trakt zurückzukehren. Sie würde Penelope wiedersehen.
Schlüssel rasselten. Die Tür sprang auf, und diesmal blieb sie offen. Tageslicht quoll sanft auf einen Nebel gebettet in die Zelle, drang in alle Ecken und breitete sich schließlich über Penelope auf ihrer Matratze aus. Die blinzelte. Nach der langen Dunkelheit war der neue Gast keine Freude fürihre empfindlichen Augen, und so spürte sie auch nicht, wie das Licht sie einlud, die Zelle zu verlassen.
»Du lieber Himmel!« Dr. Kreuz hockte sich neben sie. Er griff sie und hob sie hoch, als wäre sie ein Kind. »Du gütiger Himmel …« Er keuchte, weil es nicht so einfach war, mit einer Last auf den Armen aus der Hocke aufzustehen. Sie sah nichts, sie hörte nichts. Sie drückte den Kopf gegen seine rettende Schulter. Er trug nur ein Hemd, und sie spürte jede Bewegung seiner angestrengten Muskeln unter dem Stoff. Vor der Zelle griff er nach, und nun lag sie weich gebettet an seinem rundlichen Oberkörper, und es ging über Treppen und Flure, seine linke Hand hielt behutsam ihren Kopf.
»Machen Sie die Tür auf! Worauf warten Sie?«
Penelope hörte, wie seine Stimme im Brustkasten vibrierte, ganz dicht bei ihr. Heimlich schmiegte sie sich an ihn, ganz vorsichtig, damit er es nicht bemerkte. Sie wünschte sich, dass die Stimme noch mal erklingen würde. Das tat sie nicht, dafür war sein Atem bei ihr.
Die Tür wurde quietschend geöffnet, dann hielt Kreuz inne und setzte sie vorsichtig auf die Füße. Das Haus um sie herum hatte Ähnlichkeit mit dem Hospital, derselbe saure Geruch, das Hallen von Absätzen auf dem Boden, hinter Türen verborgene Stimmen, Geschirrklappern, Geschrei, Gezeter. Sie befand sich im Frauengefängnis von Sydney, an jenem Ort, an dem das Schicksal sie bisher immer vorbeigelotst hatte. Beklommenheit umfasste ihr Herz. Endstation, hatte ihr mal jemand gesagt. Wenn du einmal hier gelandet bist, findet dich niemand. Aber das stimmte ja nicht.
Sein Arm legte sich sachte um ihre Schulter, als wollte er verhindern, dass sie umfiel.
»Ich – wie gut, dass ich dich gefunden habe – du hast deine Strafe abgesessen –« Kreuz verstummte. Er schienzu begreifen, wie dumm dieser Satz klang. Abgesessen. Als ob sie eine Schwerverbrecherin war. Oder waren etwa die vierzehn Jahre gemeint?
Das Licht störte beim Denken, sie kniff unwillig die Augen zusammen. Frauengefängnis. Vierzehn Jahre. Bernhard Kreuz stellte keine Fragen. Er zog nur ihr Kleid gerade und zupfte mit beiden Händen an ihrer Haube – rechts und links. Dabei berührten seine Finger versehentlich ihre Wange. Diese kurze Geste hatte etwas hilflos Zärtliches. Penelope ertrug das nicht und drehte sich von ihm weg.
»Verzeihung«, flüsterte er. Bevor sie sich noch weiter von ihm entfernen konnte, hatte er ihre Hand eingefangen. »Ich habe gehört, was vorgefallen ist.«
»Welche der vielen Geschichten haben Sie gehört?«, murmelte Penelope.
»Das spielt keine Rolle. Sie sind alle gleich gut oder schlecht …« Er holte sie näher zu sich. »Penelope, ich werde dafür sorgen, dass du an einen guten Ort kommst.« Ihre Rechte lag in seiner Rechten, ihre Linke in seiner Linken … ganz von selbst.
Bernhard Kreuz hielt sein Versprechen. Penelope musste nicht lange im Hof des Frauengefängnisses warten, zwischen fluchenden Marktweibern, Diebinnen und weinenden Dienstmädchen, die wegen zu langer Finger erneut hinter Gittern hockten. Zweimal gab es den Gefängnisfraß, den sich die Frauen gegenseitig aus den Händen rissen, obwohl er völlig ungenießbar war, und eine von ihnen keifte nach der Mahlzeit, der Gouverneur dürfe gerne seine Sonntagsvisite auch
Weitere Kostenlose Bücher