Der Duft der Pfirsichblüte: Eine Australien-Saga (German Edition)
weil ich mich auch an die Dinge erinnere, die er lieber vergessen möchte.«
Die anderen Gefangenen hatten sich zurückgezogen, als die Gouverneursgattin sich näherte, daher war genug Platz auf der Bank, und Elizabeth ließ sich ohne Umstände neben Penelope nieder.
»Bist du auch aus Schottland? Du trägst einen schottischen Namen. Wie steht es mit deiner Gesundheit? Hustest du? Kannst du alle Gelenke bewegen? Manche kommen hierher und bekommen Rheuma …«
»Ich bin kerngesund, Madam«, erklärte Penelope. »Ich bin hartes Arbeiten gewohnt, ich kann kochen und häkeln und auf Kinder aufpassen und –« Sie begann zu zittern. Jemand wollte sie hier rausholen – jemand interessierte sich für sie! »Ich kann putzen und den Stall ausmisten, ich kann einen Garten pflegen und den Ofen befeuern …«
Elizabeth legte ihr die Hand auf den Arm und hielt sie zum Schweigen an. »Hör mir zu. In unserem Haus ist es meistens turbulent, am Mittag weiß ich selten, wer des Abends am Tisch sitzen wird, weil Lachlan – weil der Gouverneur vergisst, mir davon zu erzählen. Und am Morgen hat er meist vergessen, wer da gewesen ist, weil er in seinen Papieren versunken ist oder fortgeritten. Man muss also anvieles selber denken, und schnell muss man auch sein. Das letzte Hausmädchen war faul und frech. Alles musste man ihr dreimal sagen und selbst dann noch überprüfen, ob sie es gemacht hatte, und am Morgen hat sie meist verschlafen. So jemanden kann ich in meinem Haus nicht brauchen. Verstehst du mich?«
Ihr Blick war ernst. Elizabeth war nur wenig älter als Penelope und stand einem Haushalt vor, der, wie eine Aufseherin im Gefängnis geprahlt hatte, dem eines Königs gleichkam. Sie nahm ihre Hand wieder weg, um keine Vertraulichkeit aufkommen zu lassen. Es fühlte sich dennoch so an, als ob ein Hauch des Schicksals Penelope streifte. Mit dem Duft nach Lavendel strich er an ihrer Wange vorbei und gab ihr einen aufmunternden Klaps. Na geh schon, meinte sie zu hören. Geh schon und mach dein Glück. Die Zeit ist reif …
»Ich will gerne in Ihre Dienste treten, Madam«, hörte Penelope sich sagen. »Sehr gerne.«
Von ihrem Trakt aus sah Mary, wie die Frau des Gouverneurs Penelopes Kleid gerade zupfte und sie dann an der Hand hinter sich herzog wie ein kleines Mädchen. Sie würde sie mitnehmen und bei sich arbeiten lassen. Das Haus des Gouverneurs war der beste Arbeitsplatz in der ganzen Kolonie! Mary lächelte froh. Und sie wusste nun, wo sie Penelope aufsuchen würde, bei nächster Gelegenheit. Sobald ihre Strafe abgesessen war. Sobald man ihr einen Passierschein ausstellte. Und solange würde sie eben warten. Dieses Warten war nicht schwer, es schmerzte nicht, Penelope war ja in guten Händen. Mary hatte die frohen Augen des Doktors gesehen.
Penelope fand Frieden in Elizabeths Garten. Die Gouverneursgattin hatte in der Tat ein Talent, aus ein paar Wurzeln blühendes Leben zu ziehen und das zwischen kleinen Steinmauern so anzuordnen, dass man dachte, Gott selber müsse diesen Garten so erschaffen haben.
»Daheim in Schottland haben sie mich für übergeschnappt gehalten.« Sie lächelte. »Ich hab schon als junges Mädchen viel arbeiten müssen, aber für meinen Garten hatte ich immer Zeit. Und Vaters Freunde saßen gerne mit ihrem Bier dort, wenn die Sonne schien. Ach, und meine Radieschen haben sie auch immer gerne gegessen.« Sie zupfte einen Grashalm aus dem Beet. »In meiner Reisekiste sind so viele Sämereien, die ich noch nicht eingepflanzt habe … damit können wir das ganze nächste Jahr verbringen. Man hat hier ja nie wirklich Zeit dafür …«
Seufzend wandte sie sich ab, denn die Köchin stand im Tor, um zu fragen, wie viele Hühner sie schlachten sollte. Da für den Abend unerwartet zehn Gäste auf der Liste standen, beendete sie damit auch Penelopes Tag im Garten, denn sie musste nun beim Rupfen und Ausnehmen helfen.
Die Abendeinladungen im Hause Macquarie waren für sie manchmal schwierig – vor allem wenn der Reverend Marsden zu Gast war. Lachlan Macquaries Auswahl an Gästen sorgte kolonieweit für Gespräch, und Marsden machte kein Hehl daraus, dass er es unerträglich fand, mit Exsträflingen an einem Tisch zu sitzen. Dabei war ihm völlig gleichgültig, ob diese es zu etwas gebracht hatten – wie Simeon Lord oder der jüngst verstorbene Andrew Thompson, ob sie mehr Land besaßen als er oder höher in der Gunst des Gouverneurs standen. Macquarie wiederum machte kein Hehl daraus, dass der
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