Der Duft der Pfirsichblüte: Eine Australien-Saga (German Edition)
und nach Algen, weil der Boden feucht war. Vielleicht befand sich Wasser in der Nähe. Es gab vier hölzerne Wände mit zugestopften Ritzen. Einen Blecheimer, der täglich geleert wurde, und die Schüssel, in die man das Essen kippte. Die Frauen, die diese Arbeit verrichteten, waren grob und unfreundlich und bewachten sie wie eine Schwerverbrecherin. Die eine stellte sich vor Penelope, damit sie sich nicht davonmachte, die andere trug eilig den Eimer hinaus.
»Danke«, sagte Penelope am zweiten oder dritten Tag.
Da hob die Aufpasserin erstaunt ihre Laterne und musterte sie. »Du hast es bald hinter dir.«
»Hinter mir?« Dunkelheit lähmte das Denken. Penelope hatte vergessen, wie sie hierhergekommen war.
»Zu fünf Tagen haben sie dich verurteilt«, erklärte die Frau. »Du hast großes Glück gehabt, das hätte ganz anders ausgehen können. Das soll dir eine Lehre sein, mit feinen Herren zu tändeln. Wenn du schon vögeln musst, dann tu es beim nächsten Mal so, dass man dich nicht dabei erwischt.« Sie grinste. »Und such dir einen, der es wert ist.«
»Ich hab – er … er wollte … ich –« Penelope stotterte entsetzt und versuchte aufzustehen, da drückte die Frau sie auf ihr Lager zurück und wandte sich zum Gehen. Am Eingang schepperte der Eimer auf dem Boden, es roch nach Grütze. Die andere war fertig, stand in der Tür. Schlüssel klapperten.
»Penelope …? Bist du das?«
»Also. Schluss mit dem Gequatsche, raus hier«, sagte die mit der Laterne und drängte die andere mit einem Händeklatschen nach draußen. Und es wurde wieder dunkel.
Den Rest des Tages verbrachte Penelope damit, sich zu fragen, wer da wohl ihren Namen gekannt hatte, und sich zu erinnern, wie sie hierhergekommen war. Man hatte den bewusstlosen Liam auf einem Leiterwagen abtransportiert, und dann hatte sich das fette Gesicht Richter Bents über sie gebeugt. »Du schon wieder«, hatte er geknurrt. Sie erinnerte sich, dass seine Verhandlung wie ein Schiff mit schwarzen Segeln an ihr vorübergezogen war. Dass sie durch ihre verschwollenen Augen kaum etwas hatte sehen können. Doch wo kam die Schwellung her? Vom Weinen? Erinnern verursachte Schmerz. Erinnern war nicht gut. »EinhundertHiebe«, hatte es für Liam geheißen. Das hatte man sie wissen lassen, immerhin sei sie ja sein Liebchen. Einhundert Hiebe – wofür? Dafür, dass er sie gerettet hatte? Erinnern strengte an, und sie ließ es lieber sein und sank in die Arme ihrer alten Freundin Apathie, die ihr zuverlässig das Fühlen und Denken abnahm und sie in den liebgewonnenen Nebel des Nichts hineinwiegte.
Mary stand neben ihr. Sie hatte an ihrer Schulter gerüttelt und auf sie eingeredet, doch Penelope war in einen tiefen Schlaf gefallen, den sie von ihr vom Schiff her kannte. Da hatte sie die schmale Schulter liebkost und war einfach geblieben, um sich dem Glücksgefühl hinzugeben, dass ihre Tochter lebte, unversehrt war und nur wegen einer weiteren Dummheit hier im Dunkeln lag.
»Einen feinen Herrn hat sie vögeln wollen, dein Mädchen«, hatte Jane grinsend erzählt. »Deshalb ist sie hier.«
Gewiss war es anders gewesen. Gewiss war sie in ihrer Ungeschicklichkeit wieder irgendwo hineingestolpert. Je älter Penelope wurde, desto mehr erinnerte sie Mary an Stephen mit seiner manchmal tollpatschigen Art. Vielleicht hatte Gott das Mädchen hierhergeschickt, damit sie es besser machte als der Vater, der die Kolonie nur zwei Jahre überlebt hatte. Der Gedanke fühlte sich gut an, am liebsten hätte sie ihr das gleich gesagt. Mary schaute nachdenklich auf sie herab. Hinter ihr wurde Jane unruhig. Heimlich hatte sie die Zellentür für sie aufgeschlossen, auf dem Flur hörte man Schritte. Es gab keinen Grund, in einer Zelle zu sein, wenn man nicht hier arbeitete.
»Komm schon«, raunte Jane, »bevor es Ärger gibt.«
Man musste Penelope hier rausholen. Ihr einen guten Platz verschaffen, einen, wo auf sie aufgepasst wurde undwo man sie von allen Dummheiten abhielt. Mary seufzte. Das Mädchen schaffte es, in jeden Unglückstopf zu greifen und sich ihre Portion herauszuholen, unglaublich. Liebevoll strich sie ein letztes Mal über den Rücken. Man musste auf sie aufpassen. Das würde schwer für sie werden, weil Penelopes Zelle nicht zu ihrem Trakt gehörte. Sie hatte hier nur ausgeholfen. Ihre Bitte um Versetzung fand kein Gehör, der Aufseherin war es gleichgültig, zu viele Sträflingsschicksale hatten sie roh und unbarmherzig werden lassen.
»Deine Tochter, soso.
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