Der Duft der Pfirsichblüte: Eine Australien-Saga (German Edition)
machten ihr Angst. Obwohlsie wusste, dass die Hand der Mutter kundig genug war, den richtigen Moment für den Stich zu finden.
»Ganz ruhig, Mylady«, flüsterte Penelope, »ganz ruhig liegenbleiben.« Ihr Herz klopfte, dabei war der Stab doch nicht für sie bestimmt, und die Mutter beherrschte ihr Handwerk. Mary rückte den Hocker näher. Sie beugte ihren Kopf zwischen die aufgestellten Beine der Lady und winkte Penelope, die Knie festzuhalten. Mit zwei Fingern spreizte sie die Öffnung und führte erneut ihre rechte Hand ein. Mit der Linken drückte sie ihren Stab an der anderen Hand entlang in das Innere der Frau. Die Lady hob abrupt den Kopf, als sie den kalten Gegenstand wahrnahm, und ihre Beine wären nach außen weggeknickt, hätte Penelope sie nicht festgehalten.
»Was tust du!«, keuchte die Lady. »Nimm das weg!«
»Stillhalten«, knurrte Mary, jetzt mit geschlossenen Augen, um zu ertasten, was sie nicht sehen konnte.
»Ich will das nicht«, rief Rose panisch.
»Ruhig, Mylady, gleich ist es vorbei«, versuchte Penelope sie zu beruhigen.
»Was tut ihr, ihr Halunkenweiber, ich will das nicht. Geht weg von mir!«, schrie Rose auf, während Marys Hände langsam, aber mit untrüglichem Gespür ihren Weg fanden, um herauszuholen, was nicht leben sollte. Penelope kämpfte mit den fleischigen Knien, warf sich halb über die Lady, und im Augenwinkel sah sie, wie sich die Brauen der Mutter zuckend bewegten – sie hatte die geheime Frucht gefunden. Und sie schob den Stab nach und stach zu, ruhig und sicher, wie Hunderte Mal zuvor.
Rose schrie wie am Spieß. Ihr fleischiges Becken zuckte empor, und fast riss sie Mary von ihrem Hocker. Die Mutter schaffte es zwar, ihre Hände ruhig zu halten, doch alsRose sich zu winden begann, mit den Beinen strampelte und dann auch um sich schlug, musste sie ihre Hände mit dem Instrument zurückreißen. Vielleicht einen Atemzug, einen winzigen Moment zu spät. Die Finger ihrer Rechten waren blutverschmiert, und Blut sickerte hinterher.
»Mylady, bitte …« Penelope hatte sich geistesgegenwärtig neben Rose geworfen und umschlang deren Kopf mit beiden Armen, wiegte ihn, fest gegen ihre Brust gedrückt, um das Schreien zu ersticken. »Schweigt, bitte, schweigt …«
»Allmächtiger …«, stöhnte Mary auf. Dann erstarb ihre Stimme.
Penelope sah das blutige Laken, bevor Mary es unter einem sauberen Leintuch verbarg. Wenn alles gut war, gehörte Blut nicht zu diesem Geschäft, das wusste sie … Nur Beten und Abwarten würden nun helfen. Lady Rose beruhigte sich und schloss die Augen. Die Stille kehrte zurück.
Es war eine Verschnaufpause, doch das ahnte die Lady nicht. Penelope bürstete das Haar der Lady. Die Mutter war hinausgegangen, hatte die Tür hinter sich geschlossen und mischte einen austreibenden Trank für die Lady. Man konnte hören, wie Wasser erhitzt wurde und wie Kräuter raschelten. Das Petroleumlicht brannte reglos. Stunden schienen an den Wänden herabzusickern und sich in trägen Rinnsalen zu sammeln, die nirgendwo abfließen konnten.
Auch als Lady Rose das Kräutergebräu ohne Murren getrunken hatte, geschah zunächst nichts, doch Penelope wusste, dass Mary sich ernsthafte Sorgen machte. Die Lady konnte nicht die ganze Nacht hier bleiben, spätestens am Morgen würde man sie überall suchen.
Mary MacFaddens Trank aus Rainfarn, Petersilie und einem dritten übelriechenden Kraut versagte ihr nicht denDienst. Als die Wehen kurz nach Mitternacht eintraten, fing Rose wieder an zu schreien. Die Wehen kamen ohne Vorwarnung und legten ihr dichtes Netz aus Schmerz über den weißen Frauenleib. Die Schreie der Lady waren so durchdringend, dass es nur eine Frage der Zeit war, wann ihr heimliches Tun entdeckt werden würde. Penelope erhaschte einen Blick in Marys Gesicht, erwartete Panik und fand nichts als graue Ergebenheit in ein Schicksal, von dem sie etwas geahnt haben musste.
Dann ging alles rasend schnell.
Lady Rose schrie in ihren Wehen, das Bett ächzte unter ihrem Gewicht, während die Wohnungstür nach heftigen Tritten aus den Angeln brach. Schwere Schritte dröhnten auf dem Holzboden. Jack Bryant, der Abdecker, stand in der Schlafzimmertür, neben ihm die alte Susanna Mowes von gegenüber, die immer schon gedroht hatte, eines Tages würde Mary für ihr blutiges Geschäft den verdammten Strick um ihren Hals spüren.
»Was zum Teuteuteu … was zum Teu-teufel …« Jack Bryant stotterte, dann wurde er grob von einem Büttel zur Seite geschoben. Hal
Weitere Kostenlose Bücher