Der Duft der Pfirsichblüte: Eine Australien-Saga (German Edition)
waren in der Holzwand verankert. Sie stolperte erst über den Eimer, dann über ihre eigenen Füße, knickte weg, brach in die Knie und fand sich in der stinkenden Lache wieder, während die Laterne sich schaukelnd entfernte. Dann klappte die Luke zu. Die Dunkelheit nahm sie in die Arme.
Penelope schrie wie noch niemals in ihrem Leben. Der Schrei durchfuhr ihren Körper, erfüllte das stockfinstere Deck mit ihrer ganzen Verzweiflung. »Lasst mich frei!«
Keine der Frauen sprach mit ihr, als sie nach schier unendlicher Zeit die Stiege heruntergetrieben wurden. Es schien, als wisse jede, was geschehen war. Nachrichten sprachen sich in Windeseile auf dem verdammten Kahn der Hoffnungslosigkeit herum. Sie hatte sich von einem Mann vögeln lassen. Am helllichten Tag und an Deck. Jeder auf dem Kahn wusste, dass das Vögeln verboten war. Jeder wusste, dass es unnachgiebig bestraft wurde. Es gab kein Mitleid.Wenn man schon dringend einen Schwanz brauchte, dann bitte so, dass sie einen nicht dabei erwischten. Die Frauen schlichen schweigend an ihr vorüber, jede auf ihr Lager, dort hörte man sie noch ein wenig tuscheln, doch für gewöhnlich redeten sie viel lauter. Penelope war die Jüngste von ihnen, das erschwerte den Spott. Bis zuletzt brannte in ihr die Hoffnung, dass jemand kam und ihr helfen würde. Doch das Flüstern verklang, erste tiefe Atemzüge verrieten Schlaf. Nun hörte man nur noch das Klatschen der Wellen gegen die Bordwand.
Penelope zerrte an ihren Fesseln. Verzweiflung stieg brennend ihre Kehle hoch – sah sie denn wirklich niemand? Hörte sie niemand? »Helft mir«, flüsterte sie mit vom Schreien heiserer Stimme.
Niemand kam. Es wurde still. Es wurde Nacht unter Deck.
Die Verzweiflung hielt ihren Körper umfangen. Sie trieb sie an, einen törichten Kampf gegen die Ketten zu versuchen, der ihre Glieder erlahmen ließ und sie zermürbte. Irgendwann sank ihr Kopf kraftlos ins Stroh. Die Erinnerung an den Iren und das, was er in jenen Augenblicken mit ihr zusammen getan hatte, rettete sie davor, sich der Schwäche zu ergeben und einfach mit dem Atmen aufzuhören. So aber fand sie in der endlosen Dunkelheit etwas, woran sie denken konnte. Sie entfloh den Fesseln mit Hilfe von Gedanken in ein Traumland hinein wo sie Liam wieder traf – seinen Mund, seine Zunge und auch die Wolllust, die sich aus der rosafarbenen, süß duftenden Blüte in einen schäumenden Wasserfall verwandelt hatte. Sie hatte unter diesem Wasserfall gestanden, war eins geworden mit dem köstlichen Nass, und die Erinnerung daran kühlte ein wenig ihre Verzweiflung …
Mary wusste nicht, ob sie die Schlummernde wecken sollte. Sie hatte die Schreie und das Weinen gehört, es hatte ihr Herz zerrissen, und schließlich war sie zu ihrer Tochter hinübergeschlichen. Sie musste sie wecken, kein Weg führte daran vorbei, und es schmerzte, zu sehen, wie sie einem scheuen Tier gleich versuchte, vor ihr davonzukriechen, um sich vor mehr Pein in Sicherheit zu bringen.
»Schsch.« Mary nahm ihre Tochter in die Arme und hielt sie so fest, wie das in dieser Ecke nur irgendwie ging. Sie spürte, dass Penelope sich in der wiegenden Umarmung verlor, dass sie lautlos in ihre nackte Schulter hineinweinte. Die Fesseln rasselten leise. Die Zeit blieb stehen, dann lief sie rückwärts und zauberte einen kleinen Frieden herbei.
Als Penelope sich beruhigt hatte, sprach Mary zum ersten Mal seit langer Zeit ernsthaft mit ihr.
»Penny.« So hatte sie sie zuletzt in Kindertagen genannt. Die waren lange vorüber. Es war an der Zeit, ihr etwas zu geben. Sie schob ihre Tochter ein Stück von sich. »Penny, ich muss dir was sagen. Dein Vater … dein Vater ist auch auf solch einem Schiff gewesen.« Sie spürte, wie das Mädchen den Kopf hob, ins Leben zurückkehrte. Ihr Plan ging auf. Penelope würde das Wissen um ihren Vater am Leben erhalten. Sie handelte richtig, ihr jetzt die Wahrheit zu sagen. »Er wurde als Fälscher verurteilt, Penny. In Fesseln haben sie ihn nach New South Wales gebracht. Er hat in denselben Fesseln gelegen wie du –«
»Mutter!«, stieß Penelope hervor.
»Dein Vater war ein starker, guter Mann.« Mary war froh um die Dunkelheit, die ihre Tränen verbarg. »Sie haben ihn nicht brechen können.«
»Mein Vater«, flüsterte das Mädchen mühsam.
»Er hat dieses Schiff überlebt.« Mary rückte ein Stücknäher und nahm ihr Kind wieder in die Arme. »Sein Name war Stephen Finch. Wir haben uns im Hospital kennengelernt. Die
Weitere Kostenlose Bücher