Der Duft der Pfirsichblüte: Eine Australien-Saga (German Edition)
Arbeit nicht vorangehen wollte.
Nun musste Penelope begreifen, wie flüchtig das alles war, sobald Missgunst sich dazugesellte. Wie immer fiel ihr nicht ein, was sie auf die Hetzworte sagen sollte. Daher drehte sie sich um, schluckte den Frosch, der ihr im Hals steckte, herunter und lief durch den Schneematsch nach Hause.
»Wo ist die Näherin?«, plärrte eine Stimme durch das ganze Haus. »Wo ist die Näherin – Grundgütiger, das muss sofort gemacht werden, sofort! Ist denn hier keiner? Anabell? Rita?« Auf der Treppe polterte es. Wieder ertönte die Klingel, doch niemand rührte sich im Haus.
Penelope hob den Kopf. Wo waren die Bediensteten alle hingegangen?
Die aufgeregten Schritte kamen näher, hasteten durch die Küche, dann in den Dienstbotenraum und um den Tisch herum. »Anabell?«
Die Hausdame schien sich in Luft aufgelöst zu haben, doch Penelope fand nicht den Mut, die Tür ihrer Wäschekammer zu öffnen, dabei wäre es ein Leichtes gewesen, denn Rita hatte sie nur angelehnt. Vorsichtig legte sie ihre Arbeit auf den Tisch. Sollte sie die Kammer verlassen? Wasgeschähe, wenn die Lady kam und sie bei ihrer Neugier ertappte? Draußen stampfte jemand mit dem Fuß auf und fluchte laut.
Penelope riss die Augen auf. So würde sich eine Lady nicht verhalten. Niemals!
Plötzlich schwang die Tür der Kammer auf, und Lady Winfield erschien im Rahmen – sie war ungefähr genauso breit wie die Tür.
»Hier ist ja jemand –« Die Lady hielt inne und reckte den Hals vor, um im Halbdunkel besser sehen zu können. An ihren blinzelnden Augen erkannte Penelope, dass sie möglicherweise auch schlechte Augen hatte. Doch sicher besaß sie Vergrößerungsgläser, mit denen sie ihre Welt scharf sehen konnte.
»Bist du das Nähmädchen? Ja? Dann komm, ich brauche sofort Hilfe. Sofort, ich kann nicht warten …«
»Ja, Madam«, murmelte Penelope und drückte sich hinter ihrem Tisch hervor, immer noch verwundert, wo die ganzen Dienstboten nur waren, so dass die Lady sich selbst hier unten auf die Suche hatte begeben müssen. Lady Winfield packte ohne Umstände Penelopes Hand und zog sie aus der Wäschekammer in den Dienstbotenraum. Dort schaute sie einmal an ihr herunter, nickte, und in einer Geschwindigkeit, die Penelope ihr überhaupt nicht zugetraut hatte, ging es aus dem Kellergeschoss in den großen Hausflur. Von dort aus eilten sie eine marmorne Freitreppe hinauf. Penelope fand kaum Zeit, ihre Hand auf das polierte lackschwarze Geländer zu legen, weil Lady Rose undamenhaft zwei Stufen auf einmal nahm.
Oben hielt sie kurz inne, schwer atmend und auf das Geländer gestützt, doch ohne Penelope loszulassen. Dann brach sie in ein ansteckendes, perlendes Lachen aus, dasaus der Tiefe ihrer stattlichen Brust zu kommen schien. Ihr Busen wackelte fröhlich hin und her, und mit einem tiefen Atemzug rutschte der spitzenbesetzte Rand ihres violetten Wollkleides so tief, dass man den Ansatz einer dunkelbraunen Brustwarze erkennen konnte. Penelope wusste vor lauter Verlegenheit nicht, wohin sie schauen sollte.
»Jetzt kann ich nicht mehr, Mädchen. Jetzt brauch ich was Süßes, komm, Mädchen!« Spitzbübisch glitt ihr Blick über Penelopes Gesicht. »Komm, ich zeig dir was!«
Am Ende des mit roter Seide tapezierten Flures drückte sie eine Klinke herunter, und ein nach Rosenwasser duftender Salon öffnete sich vor ihren Blicken.
»Komm«, sagte die Lady abermals, der offenbar der Sinn danach stand, ein Dienstmädchen in Verlegenheit zu bringen.
Penelope starrte entsetzt in den Salon hinein und überlegte, wie sie sich in Sicherheit bringen konnte, denn Mistress Anabells Drohung, nie, unter gar keinen Umständen die Obergeschosse der Herrschaften zu betreten, klang in ihren Ohren nach. Über die Strafen hatte Mistress Anabell sich nicht ausgelassen. Allein der Klang ihrer Stimme hatte genügt. Penelopes Herz klopfte. Und dann war es für eine Flucht zu spät.
»Iss was, Mädchen!« Die Lady kam mit einem Porzellanteller auf sie zu. »Bevor wir uns den wichtigen Dingen widmen.« Ein Grinsen erschien auf ihrem runden Gesicht. »Ich renne ja nicht zu meinem Vergnügen durch dieses endlose Treppenhaus.«
Hellbraune Kugeln lagen in der Vertiefung des Tellers und verströmten einen betörenden Duft. Auffordernd hielt die Lady den Teller noch ein Stück näher. Penelope konnte nicht anders, sie musste eine Kugel nehmen. Der Duftdrang an ihre Nase, süß und streng zugleich, und sie ahnte, dass diese Versuchung wohl von
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