Hin u Weg - Verliebe Dich Ins Leben
Vorwort
„Daher behaupte ich auch, dass jedermann den Eros ehren müsse; und ich ehre auch selbst, was mit den Liebesdingen zu tun hat, und übe mich darin in ganz besonderem Maße. Auch ermuntere ich alle anderen dazu. Und jetzt und immerdar verherrliche ich die Macht und die Tapferkeit des Eros, sosehr ich es nur vermag.“
Ha, das war gut gesagt damals; und noch heute stehe ich zu diesen Worten, die ich dem alten Sokrates in meinem
Symposium
in den Mund legte. Aber ach! Wie wenig haben meine späteren Leser sie beachtet. Im Gegenteil, im Gegenteil: Zum Eros-Verächter haben sie mich gemacht. Zum Urvater einer „platonischen Liebe“, die wohl den Ansprüchen ihrer trockenen Moral oder auch ihrer unseligen Religion genügen konnte, nicht aber der Heiterkeit und Glückseligkeit des Lebens diente. Für einen sinnenfeindlichen Griesgram halten sie mich – mich, der ich doch zeit meines Lebens nur der einen Frage nachging: wie ein gutes, freudvolles Leben gelingen könnte. Oh, wie recht hatte doch dieser junge deutsche Dichter – ich glaube, er hieß Hölderlin (ein echter Bruder im Geiste) –, als er ausrief: „Heiliger Platon, vergib, man hat schwer an dir gesündigt!“ Das Vergeben fällt mir nicht leicht, denn wahrlich: Schon dieser eifrige Aristoteles hat mein Denken verkannt, verbogen und entstellt; hat den Eros „entmannt“ und zu einer saftlosen „Freundschaft“ werden lassen. Aber ach, das hätte ich so eben noch durchgehen lassen. Aber was dann die christlichen Theologen mit meiner Philosophie angestellt haben … – Im Ernst: Es bedurfte satter 2000 Jahre guten Willens, um diesen Frevel zu verzeihen.
Doch, meine Freunde, umso größer ist meine Freude, dass nun völlig unerwartet ein dem Anschein nach junger Mann – seltsamerweise schon wieder aus einem dieser schrecklich nasskalten Gefilde der nordischen Länder – von meinem Geist beseelt wird und ein Buch schreibt, das miraus der Seele spricht. Gewiss, ihm fehlt ein wenig die Tiefe der griechischen Sprache, und an meine Dialogkunst reicht es nicht heran. Aber es atmet doch ihren Geist, und wahrhaftig: Es gefällt mir, dass dieser Mann für die Darstellung der „erotischen Lebenskunst“ (ärgerlich, dass ich nicht selbst auf diese Formulierung gekommen bin) die Briefform wählt. Ja, das ist gut, das ist – beim Zeus – platonisch. Denn es nimmt euch, meine Freunde, mit hinein ins Geschehen, nötigt euch dazu, euch berühren zu lassen vom philosophischen Gedanken, ihn zu bewegen, sich an ihm zu reiben – bis dass der Funke springt und wie bei einem guten Dialog das Verstehen des Sinns in der Seele aufleuchtet. Deswegen kann ich euch nur ermutigen, euch ins Leben und in dieses Buch zu verlieben, euch immer auch selbst angesprochen zu fühlen und der Kraft des Eros zu folgen, um so in den inneren Dialog der Seele mit sich selbst einzutauchen.
Denn so – und überhaupt nur so – gerät ein Buch zu eben der
epimeleia tes psyches
(der Pflege der Seele), um die es einem Liebhaber der Weisheit immer gehen sollte. Und nur wenn ein Buch diesem Anspruch genügt, ist es wert, gelesen zu werden. Denn, beim Hunde, nur solch Geschriebenes dünkt mir eines Philosophen würdig, das den Geist beflügelt: das von der Schönheit des Eros kündet, die Götter preist und den Menschen adelt.
Nun, was ich sagen wollte: Dieses Buch gefällt mir. Denn es macht Ernst damit, dass Eros ein Philosoph ist, wie ich einst im
Symposium
schrieb – und damit, dass ein Philosoph nur dann seinen Namen verdient, wenn er vom Eros beseelt ist. Ja, es macht auch Ernst damit, dass allein Eros den Menschen den Göttern zuführt – und dass es weit wichtiger ist, mit Leidenschaft das Leben zu lieben, als ihm auf spirituellen oder religiösen Schleichwegen zu entschlüpfen. Tatsächlich lässt es sogar etwas von der Schönheit und Herrlichkeit meiner untergegangenen Welt erkennen – und das, ohne diese für mich so befremdliche Welt des 21. Jahrhunderts dabei verächtlich zu machen. Ja, bei Apollon und Artemis, das ist ein Denken
con amore
, wie es gewisslich auch meinen Zöglingen in Marsilios florentischer Akademie gefallen hätte. Da fällt mir ein, dass es eigentlichwieder Zeit wäre für eine neue, dritte Akademie … Gewiss, so ist es, und ich kann nur hoffen, dass sich in diesen kalten nordischen Gefilden Menschen finden lassen, die dem Autor dieses Buches dabei unter die Arme greifen, bei einem solchen Projekt in meine Fußstapfen zu treten …
Genug der
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