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Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Titel: Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rütten & Loening Verlag <Potsdam>
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power
    That if good fortune fall,
    Cannot add another hour,
    Nor a lost hour recall.
    (John Donne)
    Es dauerte eine ganze Weile, bis man im Haus 28 hinnehmen konnte, dass Penelope, das Mädchen aus Southwark, den halben Tag bei Lady Rose im Salon saß und Spitze für sie häkelte. Mistress Anabell ließ keinen Tag verstreichen, wo sie nicht ihre Missbilligung kundtat, und dabei war es ihr vollkommen gleichgültig, ob die Lady zugegen war oder nicht.
    »Das Mädchen macht gute Arbeit«, pflegte Lady Rose dann zu sagen und beugte sich über die Armlehne des Sofas, um das Entstehen einer neuen Pfirsichblüte zu verfolgen. »Dieser Schal wird schöner als der meiner lieben Mutter. Das müssen Sie zugeben.«
    Doch die Mistress gab nichts zu, sondern verließ verärgert den Salon und murmelte: »Eine Ehe wird das Beste für Euch sein.«
    »Sie findet immer etwas, um zu schimpfen.« Lady Rose schüttelte die Pantoffeln von ihren Füßen und hievte die Beine auf das Sofa, was nirgendwo im Haus erlaubt war. »Ich weiß wirklich nicht, was mein Vater an ihr findet.Immer keift sie herum. Kannst du dort noch eine Knospe draufsetzen? Neben die Blüte? Das fände ich wundervoll.« Und der letzte mit goldgelber Butter bestrichene Keks verschwand in ihrem rosigen Mund.
    Niemals sah man Lady Rose arbeiten. Sie war wie ein fetter, runder Wattebausch, überall weich und schön anzufassen, der von Sofa zu Sofa rollte und der doch zu nicht viel nütze war. Jedermann rechnete damit, dass ihr Vater bald eine vielversprechende Partie für sie arrangiert haben würde. Mistress Anabell wusste angeblich sogar schon, wen er sich da ausgeguckt hatte.
    »Dank des unermesslichen Reichtums ihres Vaters lecken sich die jungen Herren ja die Finger nach ihr«, flüsterte Amy, das vorlaute Küchenmädchen, Penelope beim Essen zu. »Du wirst sehen, wenn der Herr wieder hier ist, stehen sie Schlange, um seiner Tochter den Hof zu machen!«
    »Und sie darf sie alle empfangen? Alleine?«, wunderte Penelope sich. Welch wundersamer Haushalt!
    »Natürlich nicht«, raunte Amy. »Aber Lady Rose hat ihren eigenen Kopf und weiß sich über Anweisungen hinwegzusetzen, wie du sicher schon bemerkt hast. Die Mistress nennt sie immer ›die unmögliche Lady‹ … Die letzte Gouvernante, so erzählt man sich, ergriff die Flucht, nachdem die Lady sie in ihrem Zimmer eingesperrt hatte, um sich ungestört mit dem Klavierlehrer … Also, nun ja … Als die Tante noch lebte, herrschte hier noch Ordnung. Aber sie starb ja vergangenes Jahr, und man munkelt, dass Mr Winfield darüber sehr verzweifelt war.«
    »Er war in sie verliebt«, flüsterte der Pferdebursche.
    »Ach woher willst du das denn wissen?«, unterbrach Amy ihn. »Unfug. Sie waren Cousin und Cousine, weiter nichts.«
    »Und warum hat er dann nie geheiratet? Weil er die Cousine geliebt hat.« Der Pferdebursche ließ seine Augenbrauen tanzen. »Sie war ja nicht hässlich, die Cousine … und kein Wunder, dass die junge Lady so merkwürdige Ideen pflegt. Der Klavierlehrer …«
    »Hier werden keine Gerüchte verbreitet!« Mistress Anabell klopfte auf den Tisch. »Dies ist ein ehrenwertes Haus, ich verbitte mir solches Getratsche.«
    »Ich meine ja nur …« Bevor er weitersprechen konnte, hatte die Mistress schon ein Trockentuch nach ihm geworfen und sie alle aus der Küche an ihre Arbeit vertrieben. Als Penelope jedoch am Nachmittag die Treppe hinaufstieg, betrachtete sie die »unmögliche« junge Lady mit ihrer ungewöhnlichen Verwandtschaft mit neuen Augen.
     
    Lady Rose tanzte den ganzen Tag durch ihren Salon, spielte auf ihrem elfenbeinverzierten Pianoforte oder trällerte Arien von Henry Purcell, den sie zutiefst verehrte. Zum Sticken, womit feine Ladys ihre Nachmittage verbrachten, besaß sie keine Geduld, und vielleicht, so kam Penelope der respektlose Gedanke, war es auch zu anstrengend, die Arme über den runden Bauch zu legen, um einen Stickrahmen festzuhalten. Doch liebte die Lady es, Penelope bei ihrer Häkelarbeit zuzuschauen. Das tat sie stundenlang, und jeden Tag hatte das Konfekt in der Porzellanschale eine andere Farbe.
    Penelope glaubte von Tag zu Tag mehr, im Paradies gelandet zu sein. Das gute Essen legte sich wie eine weiche Decke auf ihre Rippen und zauberte eine gesunde Farbe auf ihre Wangen, wie ihr der Spiegel der Lady verriet. In unbeobachteten Momenten musterte sie sich selbst dort und drehte sich hin und her, um die Form ihrer Brüste zu betrachtenund mit den Händen über die Taille

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