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Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Titel: Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rütten & Loening Verlag <Potsdam>
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lehren, was ich selber nicht mehr sehen kann?«
    Doch sie konnte es, weil der Lerneifer der Mädchen übergroß war. Die Lehrerinnen hatten Wunderbares vollbracht – aus einem Haufen armseliger Findelkinder und Nachkommen verlorener Seelen, die irgendwo in der Kolonie ihr Leben ausgehaucht hatten, waren ein paar starke Mädchen herangewachsen, die sich bereitmachten, dem Leben ins Gesicht zu blicken. Nachdem im vergangenen Jahr zwei von ihnen auf mysteriöse Weise verschwunden und nach Tagen des Suchens im Hafen wieder aufgefunden worden waren, hatte man die Regeln des Hauses noch strenger gestaltet, und vor allem die älteren Mädchen lebten nun bewacht und behütet wie in einem Kloster.
    Diesen Geist gedachten die Damen und Herren der Waisenhauskommission mit nach Parramatta mitzunehmen, als es im Oktober 1818 endlich so weit war: Das Waisenhaus dort wurde als bezugsfähig gemeldet. Jahre der kleinen und großen Katastrophen rund um den Bau lagen ja hinter ihnen. Unfähige Handwerker, Trunksucht und immer wieder Streit über Bezahlung hatten schließlich sogar das Verhältnis zwischen dem obersten Bauaufseher, Reverend Marsden, und dem Gouverneur so zerrüttet, dass sie kaum ein Wort mehr miteinander sprachen. Doch nun flattertenFahnen im Wind, die Leintücher auf den Betten rochen frisch, und neben jeder Feuerstelle wartete ein Bündel Holz auf die neuen Bewohnerinnen, die an diesem Wochenende einziehen sollten.
    »Es geht mit dem Flussschiff nach Parramatta!«, erzählte die zierliche Charlotte aufgeregt. »Wir werden alle zusammen reisen, und wir wünschen uns, dass Sie uns begleiten, Madam. Wir haben Mrs. Hosking gefragt, und sie hat nichts dagegen. Ach Madam, Sie müssen uns einfach begleiten!«, bettelte sie und kniete neben Penelope nieder, wohl um ihrem Bitten mehr Gewicht zu verleihen.
    Die Schulleiterin trieb sie zurück auf ihren Stuhl. »Ein Unfug, sag ich noch mal«, schimpfte sie. »Die Reise ist viel zu anstrengend für die Dame! Sicher wird sie euch in Parramatta einmal besuchen kommen, aber nun ist Schluss – es wird gepackt!« Und ihr Rohrstock klopfte energisch auf den Tisch.
    Penelope legte ihre Handarbeit in den Schoß. »Mrs. Hosking, ich will sehr gerne mit den Mädchen fahren.« Abenteuerlust breitete sich in ihr aus. Sie mochte ihre Schülerinnen. Es waren zu viele, um sie alle beim Namen zu kennen, und manche waren zu schüchtern, um sich nach vorne zu wagen und mit ihr einfach zu sprechen. Ein Lächeln zuckte um ihren Mund. Penelope MacFadden aus Southwark war wirklich eine Dame geworden.
    »Es soll mir ein Vergnügen sein, mit euch auf diese Reise zu gehen«, sagte sie.
    Ihre Handarbeitsklasse johlte vor Freude, und Charlotte küsste ihre Hände. Kleider und Schuhe, Socken, Bücher und Bettzeug wurden in ungezählten Kisten verpackt, und mit dem Karren des Waisenhauses hinüber zum Fluss gebracht, wo ein Transportkahn schon auf die Fracht wartete.Die Mädchen wanderten in einer langen Zweierreihe an die Anlegestelle, und halb Sydney schaute ihnen hinterher – stolz und erleichtert. Stolz, weil aus ihnen doch etwas Ansehnliches geworden, und erleichtert, weil die Zustände im alten Waisenhaus beschämend gewesen waren.
    »Ich treffe Sie dann in Parramatta. Ach, welch herrlicher Tag! Mrs. Molle und Mrs. Wylde warten schon in meiner Kutsche – Liebste, sind Sie denn sicher, dass Sie mit diesen Plappermäulern reisen wollen?« Elizabeth schwirrte nimmermüde um Penelope herum, legte ihr den Beutel in den Schoß und zupfte ihren Hut gerade.
    Penelope fing an zu lachen. »Liebste Elizabeth, mir geht es ganz hervorragend.« Sie strahlte. »Wir werden einen wunderbaren Ferientag miteinander verbringen, und Sie werden sich ärgern, dass Sie nicht dabei gewesen sind.« Sie beugte sich vor und küsste Elizabeth auf die Wange. »Danke für Ihre Freundschaft, Lizzy.«
     
    Es wäre schön gewesen, Elizabeth neben sich zu haben oder Bernhard. Doch der war mit Lucy ins Hospital gegangen. Das tat er manchmal, und das kleine schwarze Mädchen erzählte noch tagelang davon, was er ihr alles gezeigt hatte. Selbst Amelia wäre Penelope eine willkommene Gesellschaft gewesen. Es hätte vielleicht die Wehmut im Zaum gehalten. Ihre Freude über den Tag mit all den Mädchen erhielt nämlich einen empfindlichen Dämpfer, als man ihr auf den Kahn half und sie zum ersten Mal nach all den Jahren wieder auf schwankendem Schiffsboden stand.
    Die Übelkeit kam nicht vom Magen, schließlich befuhren sie nur einen

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