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Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Titel: Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rütten & Loening Verlag <Potsdam>
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dem einen Bein immer näher zu rücken, schnitt ihr den Weg ab, rief andere herbei –
    Hunde heulten in die Nacht hinein. Ein ganzes Rudel, vielleicht sogar Wölfe. Nackte Angst stieg ihren Hals hoch. Niemand war auf ihren Schrei hin gekommen – niemand hatte ihn gehört.
    Deshalb rannte sie los, einfach in die Dunkelheit hinein. Es war ihr gleichgültig, wo sie landete, wenn sie nur diesen Schwarzen hinter sich ließ … Ihr Lauf fand ein schnelles Ende in den Armen des Schafhirten.
    »Hast du’s dir anders überlegt?«, fragte Joshua.
    Penelope glaubte so etwas wie Mitleid in seiner Stimme zu hören.
    »Du hast Glück, dass ich noch in der Nähe war …« Er roch nach Alkohol, hatte möglicherweise im Schnapshaus gesessen und auf sie gewartet.
    »Der Schwarze wollte mich umbringen!«, stieß sie hervor und riss sich von ihm los.
    »Der bringt keinen um. Er nennt sich Apari. Er spricht ein paar Worte Englisch und taucht immer mal wieder auf. Behauptet, hier in Parramatta leben seine Väter. Hier – um uns herum, in der Luft.« Joshua lachte gutmütig. »Keine Ahnung, was er meint. Sie sind alle ein bisschen verrückt, diese Schwarzen. Aber auch gefährlich, wenn sie zu mehreren in der Dunkelheit auftauchen. Wenn du bei mir wohnst, musst du immer ein Messer bei dir haben. Ich gebe dir eins.«
    Damit war Penelopes Nachtlager vereinbart – die Angst vor dem schwarzen Mann und seinem Speer war größer als ihr Bedenken, dem Schafhirten zu folgen, aus dem Ort hinaus über freies Feld, wo sich trockenes Gras in ihre Fußsohlen bohrte und unter ihrem Rock raschelte. Der Hirte ging vorneweg. Er schien kein Licht zu brauchen, fand wie eine Katze seinen Weg durch die Nacht, an Büschen vorbei, hinter denen sich fauchende Tiere verbargen. Manchmal schlug er mit einem Stock auf den Boden, und irgendwas raschelte im Gras.
    »Du brauchst auch Schuhe«, sagte er, ohne jedoch anzuhalten. »Es gibt giftige Schlangen hier.«
    Penelope stolperte hinter ihm her, stumm vor Entsetzen über sich selbst, dass sie einem Kerl folgte, den sie überhaupt nicht kannte, der nach Vieh stank und sie in denBusch führte, wo sie niemand schreien hörte, wenn ihr etwas zustieß. Es gab keinen Mond in dieser Nacht, vielleicht gab es überhaupt keinen in diesem Land, und niemals würde sie den Weg zurückfinden.
    »Hier sind wir nun. Hier wohne ich. Du musst dich bücken. Aber wenn du vom Schiff kommst, kannst du das ja.« Er lachte leise über seinen Scherz.
    Sein Zelt war in der Tat keine menschenwürdige Bleibe. Es roch durchdringend nach Schaf und Wolle, noch bevor er den Eingang aufknotete, um ihr mit der Laterne den Weg ins Innere zu leuchten. Aus dünnen Baumstämmen und Leinwänden, die möglicherweise einmal die Segel eines Schiffes gewesen waren, erhob sich der kegelförmige Aufbau über ihnen, in dessen Mitte ein Feuer nur glomm. Getrockneter Schafkot, erklärte Joshua.
    »Das kostet nichts, vertreibt die Mücken genauso gut und schlägt keine Flammen.« Er stocherte in der Glut. »Bis zum Bach ist es ein Stück. Du musst das Wasser bei Tageslicht holen, dort gibt es Krokodile. Steig nie mit nackten Füßen ins Wasser.«
    Penelope starrte ihn fassungslos an, als er eine Laterne entzündete und an einem Haken befestigte. Dann holte er aus der heißen Asche ein zugedecktes Kesselchen. Mit einem Holzlöffel prüfte er den Inhalt und rührte dann schweigend eine Handvoll Graupen und zerhackte Rübenstücke in den nach Schafsfett riechenden Brei.
    »Arbeitest du in der Fabrik?«
    Sie nickte.
    »Wie viele Jahre hast du –?«
    »Vierzehn«, sagte sie leise.
    Joshua nickte und gab ihr einen hölzernen Napf, in dem das Essen dampfte. Alles stank hier nach Schaf – die Suppe,der Mann neben ihr, die Decken, in die er sie gesetzt hatte … Sie hatte nach den langen Wochen auf dem Schiff gedacht, so was würde ihr nichts mehr ausmachen, aber vielleicht verstärkte der Hunger alles nur. Penelope gelang es schließlich, ihren Ekel zu überwinden, als sie an den Schwarzen dachte, der da draußen irgendwo mit seinen Kumpanen wartete. Hastig schlang sie ihr Essen herunter – was auch immer noch geschehen würde, ihr Magen war gefüllt …
    »Die Fabrik also. Die Fabrik ist nicht der schlechteste Ort, musst du wissen«, begann der Hirte wieder zu sprechen. »Sie geben dir ordentliche Essensrationen, und wenn dein Pensum fertig ist, kannst du was anderes arbeiten und richtiges Geld verdienen. Ich mach das auch. Jeder hier tut das, und dem Staat ist das

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