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Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Titel: Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rütten & Loening Verlag <Potsdam>
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sie erst auslachte und ihr dann die Faust mit solcher Wucht ins Gesicht schlug, dass sie rückwärts in Penelopes Arme taumelte. Dann machte er sich daran, die nicht geleerte Essenskiste ans Ufer zu hieven, wo er sie gegen ein Fass Rum tauschte.
    Und Penelope begriff, wie die Geschäfte hier draußen liefen.
     
    Die Frauenfabrik, ein schiefes, baufälliges Gebäude, lag nicht weit von der Anlegestelle direkt am Wasser. Hochwasser hatte an seinen Fundamenten genagt und grüne Moderstellen hinterlassen. Zwei bunte Vögel flogen vom Dach auf und segelten angriffslustig über die Köpfe der Frauen. Instinktiv schlug Penelope ihre Arme über den Kopf, um sich vor den gewaltigen Schnäbeln zu schützen. Dass Mr. Hershey, der Fabrikaufseher, sich einen Spaß daraus machte, seine beiden Papageien auf Angriffsflüge abzurichten, sollte sie erst später erfahren.
    Immerzu hieß es, den Kopf einzuziehen – so auch, als sie in den Hof getrieben wurden, durch die schmale Tür der Fabrik, die diesen Namen kaum verdiente, weil sie nur aus einem länglichen Raum bestand, der im Erdgeschoss inZellen unterteilt war und der im Obergeschoss die Werkstatt beherbergte. Die Werkstatt war ein enger, muffiger Raum und so niedrig, dass man kaum darin stehen konnte. Durch löchrige Bodenplanken fiel der Unrat in die Zellen darunter. Irgendwann würde wohl auch die erste Arbeiterin durch ein Loch nach unten fallen und sich alle Knochen brechen.
    Hocker und Spinnräder standen so dicht beieinander, dass man ohne Gedränge kaum arbeiten konnte. In den Bergen von Wollfilz lagen grobe Decken – offenbar waren dies die Nachtlager der Sträflingsweiber, die nach Parramatta verlegt wurden. An den herrschenden Regeln ließ der Hausherr keinen Zweifel.
    »Wer nicht pariert, fliegt hier raus«, verkündete Hershey, noch bevor die Frauen an den Spinnrädern Platz genommen hatten.
    Dass einem das auch blühte, ohne etwas falsch gemacht zu haben, erfuhr Penelope am selben Abend. Den ganzen Tag über hatte sie neben Ann Pebbles am Spinnrad gesessen und endlose Berge von filziger Wolle zu einem einigermaßen geraden Faden gesponnen, angetrieben durch Mrs. Soakes, die grimmig wie eine Bulldogge über die Arbeit in der Fabrik wachte und sich dabei eines Rohrstocks bediente, den sie ohne Vorankündigung auf dem Rücken der Frauen tanzen ließ. Eins der alten Weiber drehte sich erschrocken zu ihr um und jammerte voller Schmerzen auf, als der Rohrstock ihr Gesicht traf. Zur Strafe musste die Alte ihr Nachtlager räumen und einer Jüngeren Platz machen.
    »Aber wieso?«, entfuhr es Penelope, die das Gekeife und böse Geschwätz der Aufseherin den ganzen Tag schweigend ertragen hatte, wie sie es daheim in London bei Madam Harcotte gelernt hatte.
    Die Willkür in der Kolonie war von ganz anderer Härte als in Madam Harcottes Häkelstube. Denn Mrs. Soakes drehte sich um, musterte sie aus zusammengekniffenen Augen und wies ihr die Tür. »Raus!«
    »Aber wieso –?«
    »Raus!« Als Penelope ihr nicht schnell genug vom Hocker aufsprang, nahm sie ihren Stock zu Hilfe, prügelte auf sie ein und trat ihr von hinten so in den Rücken, dass Penelope die Stiege, die sie am Morgen mühsam hinaufgeklettert war, kopfüber hinunterfiel.
    »Aufsässige schlafen nicht in meinem Haus«, gellte die Stimme der Aufseherin durch den muffigen Flur. »Morgen früh um acht bist du hier bei der Arbeit, sonst lasse ich dich suchen, und dann wirst du dir wünschen, dass man dich nicht findet!«
     
    Penelope irrte bis zum Anbruch der Dunkelheit zwischen den wenigen Häusern von Parramatta umher. Gnadenlose Hitze drückte sie zu Boden, und ihr Magen rebellierte gegen die fettige Hammelsuppe vom Mittag. Immer wieder musste sie sich gegen den Brechreiz wehren. Hinhocken, durchatmen. Aufstehen, wieder ein paar Schritte gehen, ohne Ziel. Immer wieder näherten sich Kerle, fassten sie an, nannten sie Hure, lachten sie aus. Das alte Weib, das vor ihr aus der Fabrik verjagt worden war, trieb es auf offener Straße neben der Gastwirtschaft mit einem Siedler. Ihr weißer schlaffer Hintern leuchtete im Halbdunkel. Angewidert drückte Penelope ihre Decke enger an sich.
    »So bekommt man hier ein Bett«, bemerkte jemand hinter ihr. »Wenn du ein Bett für die Nacht willst, ist das der Preis. Findest du ihn zu hoch?«
    Penelope wollte weglaufen, doch eine Pranke umklammerteihren Arm. »Suchst du ein Bett? Du bist neu hier, ich hab dich noch nie gesehen. Ich gebe dir eine Kanne Rum, wenn du es mir gleich

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