Der Duft des Blutes
auch noch heute Abend durchfaxen", meinte Klaus und warf sich das dritte Stück Zucker in seine Tasse.
„Ja, äh, aber ich wollte um vier gehen." Sabine sah ihre Kollegen entschuldigend an. „Ich muss noch einkaufen und ein wenig putzen..."
„...damit dein Ex nicht rückwärts aus deiner Bude wieder rausfällt", ergänzte Klaus, schnappte sich den Ordner mit den Spesenvordrucken und entfloh in das Büro nebenan, das er mit Uwe Mestern teilte, bevor Sabine ihm etwas an den Kopf werfen konnte.
Da das eine Opfer entkommen war, funkelte die Kommissarin das andere böse an. „Was hast du ihm erzählt?"
Sönke Lodering hob träge die Schultern. „Ich? Nichts! Sei nicht so gnatzig. Ich kann da nix für. Musst nicht gleich 'ne Karpfenschnut ziehen." Er wandte sich wieder seinem Tee mit Rum und dem Computer zu.
Es war nach sechs, als Sabine Berner, die dünne Jacke eng um sich gewickelt, den Kopf eingezogen, im kalten Nieselregen die breite Freitreppe des neuen Polizeipräsidiums hinuntereilte. Sie ließ den stattlichen sternförmigen Bau hinter sich und lief die Hindenburgstraße enüang zur U-Bahn-Haltestelle Alsterdorf. Ein wenig außer Atem ließ sie sich auf eine mit schwarzen Hieroglyphen verschmierte Bank sinken. Der Regen rann in feinen Fäden an den schmutzigen Scheiben herab.
Die Ul näherte sich der Altstadt, um sie dann langsam zu umkreisen: erst St. Pauli, dann hinunter zu den Landungsbrücken, wo eine Horde verregneter Rheinländer in den Zug drängte, die fröhlich und lautstark von ihrer Rundfahrt durch den Hafen schwärmten.
Da setzte sich ein Mann neben die Kommissarin. Er war groß, doch leicht untersetzt, fettiges Haar fiel ihm bis auf die Schultern. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen und sich mindestens fünf Tage lang nicht rasiert. Seine Fingerkuppen waren gelblich vom vielen Rauchen. Sabine rückte ein Stück näher zum Fenster und las die Überschriften der Hamburger Morgenpost, die eine Frau gegenüber aufgeschlagen hatte. „Mord in der Speicherstadt" schrien die fetten Buchstaben. Sabine betrachtete das Foto von dem Toten und versuchte dann, den Artikel zu entziffern.
„Und, sind Sie mit Ihren Ermittlungen schon weitergekommen, Frau Berner?", fragte plötzlich ihr Sitznachbar und beugte sich ein wenig näher zu ihr.
„Kennen wir uns?", fragte Sabine so kalt wie möglich und warf dem aufdringlichen Kerl einen abweisenden Blick zu.
Er lachte leise. „Ich kenne Sie, denn es ist mein Beruf, alles zu wissen. Sie kennen mich noch nicht, haben aber vermutlich schon etwas von mir gelesen."
„Ja und?" Sabine zog eine Augenbraue hoch, doch ihr Banknachbar war für solche Signale nicht empfänglich.
„Ich bin freier Journalist", berichtete er mit Stolz in der Stimme, „Frank Löffler ist mein Name." Er drückte Sabine eine Visitenkarte in die Hand. „Was halten Sie von einem Interview bei einem gemütlichen Essen? Ich lade Sie ein. Es kann doch nur in Ihrem Interesse sein, dass korrekt über die Arbeit der Kripo geschrieben wird."
„Vergessen Sie es. Über laufende Verfahren sollte gar nicht berichtet werden." Mit einem Blick auf die Zeitung gegenüber fügte sie hinzu: „Und man sollte einen Todesfall erst dann Mord nennen, wenn auch erwiesen ist, dass es ein Mord war!"
„Ach", stürzte sich Frank Löffler gleich auf ihre Worte.
„Dann wissen Sie schon mehr über den Toten in der Speicherstadt? Woran ist er gestorben? Wer ist er? Handelt es sich um einen Milieumord?"
„Kein Kommentar! Sie verschwenden Ihre Zeit."
Der Zug ratterte durch die Innenstadt, Haltestelle Rathaus, dann Mönckebergstraße. Plötzlich hielt der Reporter eine Kamera in der Hand.
„Darf ich ein Foto von Ihnen machen?"
„Nein!", stieß Sabine ärgerlich hervor, doch da blitzte es schon zweimal hell auf. Die Frau ihr gegenüber ließ ihre Zeitung sinken und sah Sabine neugierig an.
Frank Löffler erhob sich und nickte ihr zum Abschied zu. „Vielen Dank für Ihre Hilfe", spottete er und sprang dann leichtfüßig aus dem Wagen.
„So ein Idiot", murmelte Sabine und vertiefte sich wieder in den Artikel, bis der Zug am Hauptbahnhof hielt.
Sabine schritt über den Bahnhofsplatz, am Biberhaus vorbei, in Richtung St. Georg. In einem kleinen Supermarkt erstand sie Fruchtzwerge, Schokoladeneis, Hundefutter und eine Großpackung Spaghetti, dann eilte sie zum Bäcker. Mit drei Tüten beladen, hastete die Kommissarin die Lange Reihe entlang. Ein Schaufenster zur Linken ließ sie innehalten. Sollte sie sich
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