Der Duft des Meeres
meinst du nicht auch?«
Sie und Randall würden so viel mehr gemeinsam haben, wenn er nur zur See fahren und sie mitnehmen würde. Ihr Vater öffnete die Knöpfe an seiner Weste, als sei ihm unwohl.
»Randall gehört nicht auf See, Camille. Er ist ein Mann, der eine Zukunft vor sich hat. Du verdienst einen Ehemann, der sich jede Woche, jeden Monat, jedes Jahr um dich kümmern kann. Kein Seemann und kein Kapitän kann das.«
Sie betrachtete das Porträt ihrer Mutter, das über dem Kaminsims hing, die zarten roten Pinselstriche, die ihre Lippen modelliert hatten. Caroline Rowens Mund war an der einen Seite zu einem Lächeln emporgezogen und blieb an der anderen gerade und ernst. Es war ein Lächeln, das Camille außer auf dem Porträt nie gesehen hatte. Ihre Mutter war tot, seit Camille auf der Welt war.
»Aber du warst Kapitän, als du meine Mutter geheiratet hast«, sagte sie und drehte den Saphir am Ringfinger ihrer linken Hand. Randall hatte ihn ihr einige Tage nach seinem Antrag geschenkt. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass sie tatsächlich heiraten würde. Ein Teil von ihr fühlte sich bereit dazu, und wenn sie noch sehr viel länger wartete, würde jeder geeignete Mann unter dreißig Jahren verheiratet sein. Sie stellte sich vor, mit einem Witwer im Alter ihres Vaters festzusitzen, einem Mann, dem Haare aus den Ohren sprossen, mit Runzeln und einem Haufen mutterloser Kinder. Ja, jetzt zu heiraten war eine viel attraktivere Möglichkeit. Sie wünschte nur, sie hätte sich zwingen können, glücklicher darüber zu sein.
Die Dinge waren perfekt, so wie sie waren, nur sie und ihr Vater und ihre lebhaften Gespräche beim Abendessen über die nächste Reise und welche Ladung sie fahren würden, Holz oder vielleicht Weintrauben aus dem Umland? Weintrauben. Sie dachte an die riesige Traube, die Randall ihr in den Korb gelegt hatte. Bald würde sie jeden Abend mit ihm essen statt mit ihrem Vater. Was war, wenn Randall nur um ihre Hand angehalten hatte wegen seiner Investitionen? Was, wenn er zu dem Schluss kam, dass es eine viel bessere Idee gewesen wäre, eine der schöneren Debütantinnen zu wählen statt des eigenartigen Mädchens, über das alle tuschelten?
»Ja, ich war die meiste Zeit auf See«, antwortete ihr Vater mit finsterem Blick nach einem Moment leise, und sein Kinn zitterte. »Aber du hast ja keine Ahnung, wie oft ich mir wünsche, ich wäre nicht immer fort gewesen. Die Dinge hätten sich vielleicht anders entwickelt. Glaub mir, Camille, solche Entfernungen führen zu Schwierigkeiten. Ich habe dir immer gesagt, dass ich es nicht zulassen werde, dass du einen Seemann heiratest, vor allem nicht, wenn ein so prächtiger und erfolgreicher Mann wie Randall Jackson vollkommen hingerissen ist von dir. Meine süße Camille«, fügte er hinzu, und seine Stimme war so sanft und mächtig wie der Luftzug eines Blasebalgs, »hast du geglaubt, du würdest ewig mit mir segeln?«
Sie wollte ja sagen, wenigstens in der Lage sein, ja zu sagen. Aber sie schüttelte den Kopf.
»Es ist alles meine Schuld«, murmelte ihr Vater.
Camille lehnte sich auf der Chaiselongue zurück und zog die Beine unter sich. »Was ist deine Schuld?«
»Ich hätte dir nicht erlauben sollen, mich all die Jahre auf See zu begleiten. Ich hätte dich in ein richtiges Mädchenpensionat schicken und dir eine Chance geben sollen, deinen Platz hier in San Francisco zu finden. Stattdessen war ich selbstsüchtig und wollte dich jeden Moment bei mir haben.«
Camille entspannte die Schultern. »Mir macht deine Selbstsüchtigkeit nichts aus, Vater.«
Er schenkte ihr ein Grinsen, aber es war das Grinsen, das er aufsetzte, wenn eine Sache einen Haken hatte.
»Es musste irgendwann enden, Camille. Echte Damen gehören nicht auf Handelsschiffe, und es wird höchste Zeit, dass du eine Dame wirst, statt ein Kind zu sein.«
Er hatte recht, obwohl sie wünschte, es wäre nicht so. »Echte Damen« segelten nicht auf Schiffen. Ihre Hände waren nicht schwielig vom Tauwerk, ihre Nasenrücken und Wangen waren nicht bronzefarben von der Sonne, und ganz gewiss pflegten sie keinen Umgang mit Matrosen.
Camille seufzte. »Eine echte Dame zu sein klingt schmerzhaft langweilig.«
Der Blick ihres Vaters wanderte zu dem Ölgemälde. Er hatte Camille von ihrer Mutter erzählt, als sie alt genug gewesen war, um zu verstehen. Ein Jahr nach ihrer Heirat hatte Caroline Rowen während einer mitternächtlichen Stunde ein letztes Mal gepresst, den gesunden Schrei
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