Der Duft des Sommers
obwohl Backen seine Spezialität gewesen wäre, woran ich mich ja offensichtlich erinnert hätte. Und falls ich mich je fürs Plätzchenbacken interessieren würde, könne er mir dazu auch das eine oder andere sagen.
Jedenfalls sei er froh und stolz, dass eine Fertigkeit, die er mir vor so langer Zeit beigebracht hatte, erhalten geblieben war.
Wenn man älter wird, freut man sich, wenn es einem gelungen ist, ein bisschen Weisheit oder Handwerk weiterzugeben. Da ich aber keine Kinder großziehen konnte und den größten Teil meines Erwachsenenlebens im Gefängnis verbracht habe, hatte ich wenig Gelegenheit, jungen Menschen etwas zu vermitteln. Obwohl ich mich auch noch an unser
gemeinsames Catchen erinnere, bei dem du weit mehr Talent an den Tag gelegt hast, als du vorher glauben mochtest.
Er habe nun eine Frage an mich, schrieb er. Unter keinen Umständen wolle er aber mein Leben oder das meiner Familie ein weiteres Mal stören oder uns in Schwierigkeiten bringen, wie das bei unserer kurzen Bekanntschaft damals zweifellos geschehen sei. Er schreibe an mich und nicht an die Person, an die seine Frage eigentlich gerichtet sei, weil er diesem Menschen absolut niemals mehr irgendwelchen Kummer bereiten wolle.
Ich habe volles Verständnis, falls du dich entscheiden solltest, diesen Brief nicht zu beantworten. Dein Stillschweigen würde mir als Antwort vollkommen ausreichen, und danach würde ich jeglichen Kontakt sofort abbrechen.
In Bälde würde er auf Bewährung entlassen werden. Er hätte natürlich viel Zeit gehabt, darüber nachzudenken, was er tun wolle, wenn er im nächsten Monat entlassen würde. Er wäre zwar alles andere als jung – kürzlich habe er seinen achtundfünfzigsten Geburtstag gefeiert –, sei aber bei guter Gesundheit und habe noch viel Kraft für harte Arbeit. Er hoffe, irgendwo eine Stelle als Hausmeister oder Anstreicher zu finden. Am liebsten würde er allerdings wieder auf einer Farm arbeiten wie als Junge. An diese Zeit in seinem Leben erinnere er sich – von den Tagen mit uns abgesehen – am allerliebsten.
Aber ein Gedanke lasse ihm keine Ruhe, schrieb er. Es
wäre vielleicht sogar eine Erleichterung, wenn ich ihm schriebe, dass es verrückt und idiotisch sei, aber jedenfalls habe er meine Mutter nie vergessen können. Obwohl sie inzwischen bestimmt verheiratet sei und mit ihrem Mann weit weg von der Stadt lebe, in der er, Frank, sie kennengelernt habe. Falls dem so sei – falls es ihr gut ginge –, wäre er froh und zufrieden, wenn ich ihm das mitteilen würde. Dann würde er sich nie mehr bei ihr melden oder das Leben stören, das sie für sich geschaffen habe. Meine Mutter habe wahrlich schon lange Glück verdient, schrieb er.
Falls sie aber wirklich alleine sein sollte, wollte ich dich fragen, ob du es für richtig hieltest, wenn ich ihr einen Brief schriebe. Ich gelobe dir, dass ich mir lieber die Hand abhacken würde, als Adele Kummer zuzufügen.
Dann hatte er seine Adresse und das Datum seiner Entlassung vermerkt. Der Brief war unterschrieben mit: Herzliche Grüße. Frank Chambers.
Dieser Mann hatte damals mir, einem Dreizehnjährigen, vertraut, und ich hatte ihn verraten. Mein Verhalten in diesen paar Tagen hatte ihn neunzehn Jahre seines Lebens gekostet, die er mit meiner Mutter hätte verbringen können, einer Frau, die ihn liebte.
Und auch meine Mutter hatte ich natürlich verraten. Diese fünf Nächte, die sie mit Frank verbracht hatte, waren in all diesen Jahren die einzigen Male gewesen, dass sie einen Mann in ihr Bett genommen hatte. Damals hatte ich geglaubt, es gäbe nichts Schlimmeres, als im Dunkeln zu liegen
und den Liebeslauten der beiden zu lauschen. Bis ich merkte, dass die Stille im anderen Zimmer noch viel schlimmer war.
Frank erwähnte in seinem Brief mit keinem Wort meine Rolle bei seiner Verhaftung. Oder die Bereitschaft meiner Mutter, die Polizei in dem Glauben zu lassen, dass Frank uns gefesselt und gegen unseren Willen gefangen gehalten habe. Nur eines war ihm wichtig: sein Wunsch, sie wiederzusehen, falls auch sie das wollte.
Ich schrieb ihm noch am selben Tag, dass es gar nicht schwierig sei, meine Mutter aufzuspüren, und noch viel einfacher, seinen Platz in ihrem Herzen wiederzufinden. Sie wohne noch immer im selben Haus.
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Sex ist eine Droge, hatte Eleanor damals gesagt. Wenn es um Sex geht, verlieren die Leute den Verstand. Sie tun Dinge, die sie normalerweise niemals tun würden. Verrückte oder sogar gefährliche Dinge. Die eventuell
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