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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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Emma ihr den Kopf zu. »Was reden Sie denn da?«
    »Ich hole Sie in die Wirklichkeit zurück, meine Liebe. Australien ist eher die Hölle als das Paradies. Nicht, dass ich Sie verunsichern will, aber die Wilden dort verhindern sehr gekonnt, dass man sich fühlt wie im Garten Eden. Die Trockenheit übrigens auch. Und der Staub. Und die langweilige Vegetation.« Frau Karnshagen nahm ihr das Fernglas aus der Hand und setzte es selbst an die Augen. »Ich sag’s ja: Nichts als Gummibäume überall! Diese Inseln sehen doch eine wie die andere aus. Und glauben Sie mir: Auf dem Festland ist es noch schlimmer.«
    Emma schwieg verunsichert. Wenn sie nun Recht hat?, flüsterte eine furchtsame Stimme in ihrem Kopf. Wird es dir gefallen, unter Menschenfresser zu fallen, Staub zu schlucken und dich auf das Zeichnen von Gummibäumen zu beschränken?
    Aber nein, beruhigte sie sich, zumindest im letzten Punkt musste Frau Karnshagen sich irren. Hatte Herr Crusius ihr nicht erzählt, dass die deutschen Botaniker von jeder noch so kurzen Forschungsreise mit grünen Schätzen beladen zurückkehrten? Unzählige Pflanzen warteten darauf, entdeckt, systematisiert und der Welt gezeigt zu werden!
    Sie beschloss, sich ihre Vorfreude nicht von einer Frau verderben zu lassen, die nicht nur ein Kinderschreck war, sondern offensichtlich auch eine Australienhasserin.
    Entschlossen reckte Emma das Kinn vor. Wenn ihre neue Heimat tatsächlich die Hölle war, dann wollte sie das zumindest selbst herausfinden!
    Der launische Wind ließ die Helene im Stich, und es dauerte noch quälende zehn Tage, bis sie die Moreton Bay erreichten. Als es endlich soweit war, wagte Emma es kaum mehr, sich zu freuen. Welche Verzögerungen würden wohl noch auf sie warten?
    Doch just in diesem Moment erblickte sie ein kleines Boot, das geradewegs auf die Helene zusteuerte.
    »Ah, der Lotse«, sagte Frau Karnshagen, die ihr wieder einmal ihre Gesellschaft aufgedrängt hatte, mit Kennermiene. »Nun werden wir gleich in die Bay einfahren können.«
    »Können wir das denn nicht alleine?«, fragte Emma. »Bis hierher haben wir es doch auch ohne Lotsen geschafft.«
    Frau Karnshagen schüttelte den Kopf. »Wie wenig Sie wissen, meine Liebe! Hier ist doch alles voller Untiefen und Sandbänke. Dazu die Brandung … ts, ts, ts, wenn Sie der Kapitän wären, würde unsere Reise wohl in einem nassen Grab enden.«
    Wenn ich der Kapitän wäre, würde ich Sie auf der nächsten unbewohnten Insel aussetzen, dachte Emma gereizt. Zu Frau Karnshagen sagte sie: »Dann lassen Sie mich doch an Ihrem reichen Wissen teilhaben und erzählen Sie mir, wie es nun weitergeht.«
    »Gerne.« Frau Karnshagen lächelte geschmeichelt. »Wir werden dem Lotsen in die Bay folgen und dann auf Reede ankern. Dort werden Sie noch nicht viel vom Festland sehen, meine Liebe, die Bay ist nämlich riesig. Es gibt Hunderte von Inselchen dort, schrecklich unübersichtlich. Irgendwann kommen dann der Health Officer und der Customs Officer an Bord …«
    Also der Arzt , übersetzte Emma in Gedanken, und ein Zolloffiziant . Endlich profitierte sie von den langen Stunden mit ihrem Englischlehrwerk.
    »… und erst wenn das alles erledigt ist, dürfen die Passagiere an Land«, schloss Frau Karnshagen. »Sofern sie keine Seuchen einschleppen, natürlich.«
    »Natürlich«, echote Emma abwesend. In Gedanken setzte sie bereits ihren Fuß auf die rote australische Erde, und sie musste sich beherrschen, um nicht wie ein wildes Tier auf und ab zu laufen. Jetzt, wo das Ziel ihrer Reise so nahe war, konnte sie ihre Ungeduld, endlich von Bord zu gehen, kaum mehr bezähmen.
    Zwar lag die Helene noch eine ganze Nacht auf Reede, bevor der Health Officer und der Customs Officer endlich vom Lotsen abgeholt und an Bord gebracht wurden. Doch dann überschlugen sich für Emma die Ereignisse.
    Der Customs Officer persönlich ließ sie rufen, um ihr eine wichtige Mitteilung zu machen. Emma fragte sich verwundert, was der Engländer von ihr wollte. Da er ihr hatte ausrichten lassen, er wünsche sie unverzüglich zu sehen, blieb ihr kaum Zeit, die lange verschmähte Krinoline anzulegen, geschweige denn ihre Fingernägel zu säubern. Nervös nestelte sie an ihrer Frisur herum, die kaum mehr diesen Namen verdiente, und kniff sich aus alter Gewohnheit in die Wangen – völlig sinnlos, wie ihr sogleich aufging, denn ihr Gesicht war so braun, dass rote Wangen darin überhaupt nicht auffielen.
    Mit klopfendem Herzen trat sie dem Customs Officer

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