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Der Liebespakt

Titel: Der Liebespakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Navin
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Prolog
    Helden sind auch nur Menschen,
    und alle Menschen können Helden werden.
    Elizabeth Barrett Browning
    Magnus Eddington, der sechste Earl of Rutherford, hatte keinen guten Ruf. Doch trotz der Gerüchte, die über ihn im Umlauf waren, ja häufig wider besseres Wissen, suchten Männer wie Frauen seine Bekanntschaft.
    Viele Männer bewunderten ihn, da er all das war, was sie selber gerne gewesen wären: erfolgreich in geschäftlichen Dingen, beliebt bei den Damen und obendrein ein ausgezeichneter Reiter.
    Die offensichtliche Mühelosigkeit, mit der der junge Earl alles erreichte, was er sich vorgenommen hatte, verschaffte ihm jedoch nicht nur Bewunderer, sondern auch Neider. So manchen hatte er sich im Laufe der Jahre zum Feind gemacht, obwohl er nie zu unfairen Mitteln gegriffen hatte. Doch war er rücksichtslos bei der Verfolgung seiner Ziele.
    Was die mehr oder weniger jungen Damen anging, die sich in Scharen zu ihm hingezogen fühlten, so hatten sie noch weit mehr als seine Feinde unter ihm zu leiden, denn er war weder romantisch noch zartfühlend. Aber selbst wenn er sich arrogant benahm, vergaben sie ihm, und war er - wie leider nur allzu oft -verschlossen und unaufmerksam, dann fanden sie für sein Verhalten Entschuldigungen. Bei all seiner charakterlicher Schroffheit galt der Earl als sehr attraktiv.
    Über seinen smaragdgrünen Augen wölbten sich häufig ironisch hochgezogene dunkle Augenbrauen, und sein leicht gewelltes dunkelbraunes, fast schwarzes Haar, stets untadelig frisiert, fiel ihm jungenhaft in die Stirn. Sein Gesicht besaß ein fast überirdisch anmutendes Ebenmaß, wirkte aber dennoch markant und maskulin.
    Stets schien ihn ein Hauch von Tragik zu umwehen. Sensible weibliche Naturen waren dafür sehr empfänglich, wenn auch nicht erfolgreich darin, die Ursachen seiner stoischen Düsterkeit aufzudecken.
    Das einzige Anzeichen von menschlicher Wärme, das an ihm beobachtet wurde, war die offen gezeigte Zuneigung zu seinem jüngeren Bruder. David war ein überschwänglicher, lebenslustiger junger Mann und so unkompliziert im Umgang wie sein Bruder mysteriös.
    Es verwunderte nicht, dass die Reaktionen sehr unterschiedlich waren, als die Nachricht von Magnus Eddingtons tödlicher Krankheit den Mitgliedern der feinen Gesellschaft in London bekannt wurde. Vielerorts wurden triumphierend die Gläser erhoben, während anderswo Verzweiflung herrschte und bittere Tränen vergossen wurden.
    Was den geheimnisvollen Earl selbst anging, so nahm er die Ergebnisse der letzten medizinischen Untersuchung mit dem ausdruckslosen Gleichmut auf, für den er bekannt war. Der Arzt, der fünfte und vorläufig letzte, von dem er sich hatte untersuchen lassen, übermittelte ihm die unangenehme Diagnose und wand sich innerlich unter dem stechenden Blick des Earl, der ihm gegenübersaß.
    „Es besteht keine Möglichkeit, dass dies ein Irrtum ist?", fragte der Earl höflich und schlug die Beine übereinander. Obwohl er leise und höflich sprach, klang seine melodiöse Bariton-Stimme bedrohlich.
    Der bedauernswerte Mediziner räusperte sich: „Ah, nein, Mylord, das heißt, aufgrund meiner Untersuchung kann ich zu keinem anderen Schluss als diesem kommen. Die Symptome sprechen für sich, und da Herzfehler in Ihrer Familie üblich sind, besteht kein Zweifel an der Richtigkeit meiner Diagnose, so leid es mir tut."
    Sich aus seinem Sessel erhebend, meinte sein Patient: „Dann erlauben Sie mir, Ihnen zu danken, Doktor. Mein Diener wird Sie nach draußen bringen."
    Der Doktor erhob sich ebenfalls, sichtlich erleichtert. Er
    spielte unruhig mit dem Hut, den er in den Händen hatte und wie einen Schutzschild vor sich hielt. „Äh, da ist noch die Frage nach der Bezahlung meiner Dienste ..." „Senden Sie mir morgen Ihre Rechnung. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden - ich wäre gerne allein."
    „Ja, ja, selbstverständlich. Fürchterliche Nachrichten sind das, nicht wahr? Zögern Sie auch in Zukunft nicht, nach mir zu schicken, Mylord, sollten Sie mich wieder benötigen."
    „Nach Ihrer eigenen Diagnose werde ich in Kürze tot sein, Herr Doktor.Von ,Zukunft' kann also nicht die Rede sein."
    Wegen des ironischen Tonfalls oder wegen des Blicks, den der Earl ihm zuwarf, brachte der Arzt nur ein halbherziges, unsicheres Lächeln zustande. „Nun, ein paar Monate haben Sie ja gewiss noch", beeilte er sich dem Earl zu versichern und hastete zur Tür. Dort zögerte er und drehte sich noch einmal nach seinem Patienten um.

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