Der dunkle Grenzbezirk
Student wohnte. Es wurde dort sehr viel Englisch gesprochen. Ihrem Bewußtsein hatte das damals gar nichts bedeutet. Ihr Unbewußtes hingegen hatte alles getreulich registriert, und als die zweite Persönlichkeit auftauchte, konnte sie diese Aufzeichnungen bequem für ihre Zwecke verwenden.
Erklärung von George Alfred Rispoli, Kellner im Hotel Imperial in Plymouth.
Mein Name ist George Rispoli, und ich bin Kellner im Hotel Imperial in Plymouth. Am 19. April dieses Jahres servierte ich einem Herrn namens Carruthers das Frühstück auf Zimmer 356. Ich kann mich noch ganz genau an den Herrn erinnern, weil mir das Zimmermädchen sagte, es sei ihr beim Aufräumen ein Blutfleck auf dem Kopfkissen aufgefallen, und auch weil ich in die Stadt gehen mußte, um ihm im Reisebüro eine Fahrkarte nach Paris zu besorgen.
Auch hat er mir ein großzügiges Trinkgeld gegeben. Etwa um 10 Uhr klingelte er nach dem Frühstück. Als ich ins Zimmer trat, stand er mit dem Rücken zu mir am Fenster und schaute hinaus. Er sagte mir, ich solle das Servierbrett abstellen und ihm einen Fahrplan besorgen, was ich tat. Als ich mit dem Fahrplan zurückkehrte, stand er immer noch am Fenster.
Ich erlaubte mir, ihn daran zu erinnern, daß sein Kaffee kalt werden könnte, und ohne sich umzudrehen sagte er mir, ich solle ihn einschenken. Er fügte hinzu: »Keine Milch, bitte, aber drei Stück Zucker.«
Ich tat wie geheißen und ging aus dem Zimmer. Er hatte eine metallische Stimme, die aber nicht unangenehm klang. Sein Gesicht habe ich während der ganzen Zeit nicht gesehen.
Etwa eine Stunde später telefonierte er hinunter und bestellte eine Fahrkarte erster Klasse nach Paris via Cunardlinienschiff von Southampton nach Le Havre. Ich mußte die Fahrkarte besorgen. Kurz darauf verließ er das Hotel und gab mir ein Trinkgeld von 10 Shilling. Das ist alles, was ich weiß.
(gez.) George Rispoli
Anmerkung: Wie Professor Barstows Haushälterin versicherte, nahm er seinen Kaffee stets mit Milch. Auf Seite 32 von Conway Carruthers, Dept. Y , steht jedoch das folgende: »Carruthers nippte genußvoll an seinem Kaffee. Er liebte ihn stark und schwarz und süß. Kaffee regte seinen Verstand an. Wenn immer dieser scharfsinnige Geist vor einem Problem stand, ließ er sich von Kaffee und seiner Pfeife inspirieren.«
New York Tribune, 24. Mai 193–
TODESSTURZ DER GRÄFIN
Laut Berichten aus Zovgorod (Ixanien) ist die Gräfin Magda Schverzinsky vor zwei Tagen ums Leben gekommen, als ihr Wagen von einer Bergstraße in der Provinz Kuder abkam und in einen 30 Meter tiefen Abgrund stürzte.
General Tumachin, Führer der neuen ixanischen Bauernregierung, hat an Prinz Ladislaus, den Bruder der Gräfin, ein Beileidstelegramm gesandt. Prinz Ladislaus befindet sich zur Zeit in Belgrad, wohin auf sein Ersuchen die sterblichen Überreste der Gräfin zur Beerdigung überführt werden. (Nachruf, siehe Seite 8.)
Giornale d’Italia, 10. Juli 193–
HOFNACHRICHTEN
Prinz Ladislaus von Ixanien hat den Palazzo dei Fiori in Viareggio käuflich erworben. Er beabsichtigt, dort während des Monats September zu residieren.
Auszug aus einem Londoner Handelsblatt,
Anfang September 193–
AUFSCHWUNG DES HANDELS IN IXANIEN
Der Entscheidung der ixanischen Bauernregierung, ihr Heer aufzulösen, die in den letzten Monaten in politischen Kreisen so viel Staub aufgewirbelt hat, folgte nun die Erklärung, daß Ixanien mit mehreren Nachbarstaaten Handelsverträge abgeschlossen hat. Diese Verträge betreffen unter anderem Bürsten, Holz und Zuckerrüben.
Die Zuckerrübenproduktion wird von der Regierung, die auch eine Fabrik zur Herstellung von Zucker subventioniert, stark gefördert. Die hierzu notwendigen Maschinen wurden unlängst von Dunwiddy & Helpman, Ltd. einer Tochtergesellschaft von Cator & Bliss Ltd, geliefert.
Es darf erwartet werden, daß der gewaltige Reorganisationsprozeß weiterhin Fortschritte macht. Aus verläßlichen Kreisen verlautet, daß die Elektrifizierung der ixanischen Eisenbahn ein Teil des großen Verkehrssanierungsplanes ist, der auch Straßenbau und die Errichtung eines Flugplatzes bei Zovgorod vorsieht. Dieser kann von den europäischen Fluggesellschaften als Tankstation benützt werden.
In unserer Rubrik »öffentliche Ausschreibungen« erschien diese Woche ein Ersuchen der ixanischen Regierung um Lieferung von Kunstdünger und Dieseltraktoren.
Auszug aus einem Artikel betitelt »Die Gefahrenherde Europas«, der am 20.
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