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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Junggesellentage
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1
    Ein amüsiertes Lächeln funkelte im Auge
des Unvergleichlichen, als er die Mienen seiner versammelten Verwandten
musterte; aber seine Stimme war ganz ernst, ein wenig entschuldigend. «Leider
ist es wahr, Ma'am», wandte er sich an seine Tante Sophia, «ich bin der Erbe.»
    Da Lady
Lindeth' entrüstete Frage rein rhetorisch war, überraschte die männlich-offene
Antwort niemanden. Sie alle wußten, daß Cousin Joseph Calver sein Vermögen
Waldo hinterlassen hatte; wenn Lady Lindeth ihn zu einer Erklärung zwang,
handelte sie auf Grund einer plötzlichen Eingebung und erwartete nicht, daß er
leugnen würde. Sie erwartete auch nicht wirklich, daß Waldo auf sein Erbe
zugunsten ihres eigenen Kindes verzichten werde.
    Natürlich
meinte sie, daß es keinen würdigeren Erben für Cousin Josephs Vermögen gäbe als
Julian, und sie hatte alles versucht, ihm die adelige Halbwaise nahezubringen.
Als Julian noch ein anmutiges Kind in Nankinghose und gekräuseltem Spitzenhemd
war, nahm sie die Strapazen einer schrecklichen Woche in Harrogate auf sich und
versuchte dreimal erfolglos, in Broom Hall vorgelassen zu werden. Dreimal
unternahm sie die Reise von Harrogate, den kleinen, gefügigen, aber
gelangweilten Knaben an ihrer Seite. Zweimal mußte sie sich vom Butler ihres
Cousins sagen lassen, daß der gnädige Herr sich nicht in der Gemütsverfassung
befinde, Besuche zu empfangen, und einmal gar, daß der gnädige Herr dankbar
wäre, wenn sie ihn nicht belästigte. Er wolle weder sie noch ihren Sohn, noch
irgend jemand anders sehen. Erkundigungen ergaben nur, daß der einzige
Besucher, der vorgelassen wurde, der Arzt war.
    Die Meinung
der Nachbarn war geteilt. Während die Wohlgesinnten meinten, eine in der Jugend
erlittene Enttäuschung wäre die Usache seiner Härte, meinten die anderen, er
sei bloß ein Geizhals, den es um jeden Heller leid tue, den er ausgeben müsse.
Lady Lindeth teilte die Meinung der letzteren, als sie das verwahrloste Gebäude
von Broom Hall sah. Doch mußte die Abgewiesene den Eindruck gewinnen, daß
Cousin Joseph kein armer Mann war. Broom Hall war, wenngleich es in Stil und
Größe nicht an den Besitz des jungen Lord Lindeth in den Midlands heranreichte,
ein respektabler Wohnsitz mit ungefähr dreißig Schlafzimmern. Er stand zwar
nicht in einem Park, aber die ihn umgebenden Grundstücke schienen sehr ausgedehnt
zu sein. Nach Lady Lindeth' glaubwürdigen Informationen gehörte der größte Teil
der Umgebung zu
dem Landsitz. Als sie Harrogate verließ, war sie sehr geneigt zu glauben, daß
Cousin Josephs Vermögen größer war, als sie ursprünglich vermutet hatte. Sie
neidete es ihm nicht. Aber sie würde sich für eine unnatürliche Mutter gehalten
haben, hätte sie nicht den Versuch gemacht, es ihrem Sohn zu sichern. Deshalb
schluckte sie ihren Unmut über die erlittene Behandlung hinunter und unterließ
es in den folgenden Jahren nie, Joseph kleine Weihnachtsgeschenke und regelmäßige
Briefe zu senden. Sie erkundigte sich nach seiner Gesundheit und vergaß nie,
ihm von Julians Tugenden, seiner Schönheit und seinen Schulerfolgen zu
berichten.
    Und nach
all dem hinterließ er Waldo sein ganzes Vermögen! Waldo, der weder der älteste
seiner Verwandten war, noch seinen Namen trug!
    Der älteste
der drei Cousins, die sich in Myladys Salon versammelt hatten, war George
Wingham, der Sohn ihrer ältesten Schwester. Er war ein würdiger, wenn auch
nüchterner Herr, der ihrem Herzen nicht besonders nahestand. Aber sie dachte,
sie könnte die Sache leichter ertragen, wenn Cousin Joseph ihn zu seinem
Erben gemacht hätte. Gab ihm der Vorrang seines Alters nicht ein Anrecht auf
das Erbe?
    Natürlich
nicht so viel Anrecht wie Laurence Calver. Lady Lindeth empfand Mißfallen und
Verachtung gegen den jüngsten ihrer Neffen, aber sie wollte gerecht sein und
ertrug den Gedanken, daß er ein großes Vermögen erben könnte (das er bald
verschwenden würde), mit Gleichmut.
    Aber daß
Cousin Joseph die Ansprüche Georges und Laurences und ihres geliebten Julian
einfach überging und Waldo Hawkridge zu seinem Erben machte, war einfach
unerträglich! Hätte sie zu Nervenkrämpfen geneigt, wäre sie ihnen sicher
erlegen, als sie die Nachricht vernahm. So aber war sie bloß eine Minute lang
sprachlos. Als sie die Sprache wiedergewann, stieß sie nur ein Wort heraus:
«Waldo!» Aber ihre Stimme zitterte so sehr von Haß, daß Julian, der die
Nachricht brachte, erstaunt sagte: «Aber, Mama, du magst doch

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