Der dunkle Grenzbezirk
Schlagzeilen. Mein Bild ging durch die Presse. Die Zurschaustellung war mir sehr peinlich.«
Wie durch Zauberei gewann der Weißhaarige seine Jovialität zurück.
»Hab ich’s doch gewußt!« rief er aus und schlug sich triumphierend auf den Schenkel. »Namen entfallen mir manchmal, aber ich vergesse nie ein Gesicht. Moment, Moment, nicht verraten«, sagte er, als der Professor seinen Mund öffnete um weiterzureden. »Der Name … warten Sie … der Name ist … Barstow … Professor Barstow.«
»Sie haben ein erstaunliches Gedächtnis, Sir.«
»Training, Herr Professor, alles nur Training.« Der Weißhaarige kicherte. Er betrachtete den Professor mit erneutem Interesse. »Wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt«, fuhr er fort, »so haben Sie durch Ihre Ankündigung, daß in naher Zukunft Atomenergie zum Nutzen und zum Schaden der Menschheit eingesetzt würde, nicht wenig Aufsehen erregt; das war doch ungefähr der Sinn Ihrer Worte, nicht wahr?«
Gereizt protestierte der Professor. »Ich habe nichts dergleichen gesagt. Meine Erklärung vor der British Association ist in grober Weise mißdeutet worden. Ich habe bloß gesagt, daß die bedeutsamen Entwicklungen auf dem bislang unerforschten Gebiet angewandter Atomenergie nicht unbedingt ein reiner Segen sein könnten. Eine harmlose Spekulation meinerseits, die zu den wildesten Interpretationen geführt hat.«
Sein Nachbar, der seinen Stuhl an den Tisch des Professors gezogen hatte, hörte ihm interessiert zu.
»Ein erstaunlicher Zufall, wirklich ganz erstaunlich«, murmelte er offenbar zusammenhanglos. »Es wäre mir eine Ehre, Herr Professor, wenn ich Sie zu einem Glas einladen dürfte.«
Ohne zu zögern, akzeptierte der Professor. Er hatte sein Erlebnis mit den Zeitungen immer noch nicht verwunden, und es freute ihn, sich einem so verständnisvollen Zuhörer erklären zu können.
Eine Zeitlang sprachen sie über Themen allgemeiner Art. Der Professor erfuhr, daß der Weißhaarige Simon Groom hieß. Er sprach gewandt und ohne Pause. Seine Kenntnisse der Außenpolitik waren verblüffend. Der Professor, ein begeisterter Leser der Auslandseite der Times , hörte zum ersten Mal von einer eben beendeten schweren Krise. Die Tatsachen wurden so beiläufig erwähnt, daß Zweifel daran gar nicht aufkommen konnten. Er begann sich zu fragen, was dieser Simon Groom wohl für einen mysteriösen Beruf ausüben mochte. Er sollte darüber bald aufgeklärt werden. Groom brachte das Gespräch erneut auf die Arbeit des Professors.
»Wissen Sie, Professor«, begann er, während er sorgfältig das Ende seiner Zigarre abschnitt, »wissen Sie, ich habe ganz einfach das Gefühl, daß Ihnen der sensationelle Aspekt des Standpunkts sehr wohl bewußt gewesen ist, als Sie erklärten, die praktische Anwendung der Atomenergie sei nicht unbedingt ein reiner Segen.«
Er lehnte sich zurück und schaute den Professor spöttisch an.
Der Professor schwieg. Sein erster Gedanke war, daß es sich auch bei diesem Groom um einen dieser verflixten Journalisten handelte, die versuchten, ihn zu einem Geständnis zu veranlassen. Zum hundertsten Mal verfluchte er den Fauxpas vom vorigen Jahr, durch den er sich vom festen Boden der Tatsachen aufs Glatteis der Voraussagen begeben hatte.
»Mr. Groom«, sagte er steif, »ich habe meiner Erklärung nichts hinzuzufügen. Die ganze Sache ist bedauerlich, und sie ist mir im höchsten Maß zuwider.«
Sein Tischgenosse blieb unbeeindruckt. Er lächelte und nahm seine Zigarre aus dem Mund.
»Professor, ich entschuldige mich. Ich hätte Ihnen erklären sollen, warum ich frage. Der Zufall hat mich mit dem einzigen Menschen zusammengebracht, dessen Hilfe ich brauche. Lassen Sie mich das bitte erklären.«
Ohne auf eine Antwort des Professors zu warten, fuhr er fort.
»Ist Ihnen der Name Cator & Bliss ein Begriff? Wie ich sehe, ja. Dann wissen Sie sicher, daß Cator & Bliss zu den größten Waffenkonzernen der Welt gehören. Wir und unsere Tochtergesellschaften beliefern fast die ganze Welt mit Waffen. Schneider-Creusot in Frankreich, unsere Vickers-Armstrong, Skoda, die Bethlehem Steel Corporation, Dupont und einige kleinere Konzerne liefern den Rest.«
Er machte eine Pause.
»Professor«, fuhr er fort, »ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie alles, was ich Ihnen jetzt anvertraue, streng vertraulich behandeln würden.«
Es ist zweifelhaft, ob in diesem Moment irgend etwas den Professor davon hätte abhalten können, sein Wort zu geben. Er nickte
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