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Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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angelegt.«
    »Sprich nicht, lauf weiter!«, presste Juniper zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Weiter kam sie nicht. Die Druckwelle einer Explosion riss uns von den Füßen und warf uns nach vorne. Blendend weißes Licht flutete den Gang. Ein Schlag traf mich so unvermittelt, dass die Welt mir entglitt. Als ich die Augen wieder öffnete, schmeckte ich Staub und spürte eine polierte Treppenstufe unter meiner Hand. Und ich musste einen verrückten Traum haben, denn ganz in der Nähe erteilte meine Mutter Befehle. »Zurück! Fasst sie nicht an!«
    Ich blinzelte und sah erst einmal nur die helle Linie eines kantigen Umrisses, scharf aus dem Schwarz geschnitten. Tür? , dachte ich benommen. Licht, das durch Türritzen fällt? Rauch schien auf der Treppe zu wabern, aber nicht von der Explosion. Die Wächter zeigten mir den Weg.
    Juniper kam neben mir stöhnend zu sich und rieb sich den Kopf. Dann erstarrte sie. Mühsam hob ich den Kopf und blinzelte zu drei Silhouetten, die sich aus dem Nebel der Explosion schälten. Vidas schriller Schrei schmerzte in meinen Ohren. Kallas sprang auf, das Gewehr in den Händen.
    »Nein!«, rief ich ihr zu. »Tu ihr nichts, bitte! Das ist meine Mutter.«
    Sie stand ein Stück von der Treppe entfernt. Offenbar hatte sie sich in aller Hast angekleidet, ihr Haar war offen und zerzaust und ihr schlichtes graues Konferenzkleid falsch geknöpft. Hinter ihr warteten zwei Begleiter – einer davon war der alte Leibwächter, der mich vor einer Ewigkeit ins Haus der Verwaisten gebracht hatte. Juniper und Kallas verharrten, beide die Waffe in den Händen, aber sie warteten. Vida stürzte zu meiner Mutter und klammerte sich an sie. »Der Mégan ist tot«, schluchzte sie. »Er wollte uns töten. Und Canda … sie ist …«
    »Scht«, sagte meine Richtermutter streng. »Rede keinen Unsinn. Bringt sie in Sicherheit! Und lasst uns allein.« Sie schob Vida brüsk nach hinten, wo der alte Leibwächter sie in Empfang nahm. Es tat mir weh, diese Kälte und Sachlichkeit zu sehen. Juniper legte mir die Hand auf die Schulter.
    Vida protestierte, aber sie war zu schwach, um sich gegen den Griff des Wächters zu wehren. Schließlich nahm er sie kurzerhand auf die Arme und trug sie davon. Das Letzte, was ich von meiner Schwester sah, war ein verzweifelter Blick über die Schulter des Mannes.
    Meine Mutter atmete tief durch. »Und jetzt, Tochter?«, sagte sie zu mir. »Willst du deinen Komplizen befehlen, mich zu erschießen?«
    Kallas und ich wechselten einen Blick. Bitte , formte ich mit den Lippen. Sie zögerte zwar, aber dann senkte sie das Gewehr widerwillig ein Stück.
    Wenn meine Mutter erleichtert war, ließ sie es sich natürlich nicht anmerken. Aber ihre Hände waren ein wenig fahrig, als sie sich mit ihrer typischen akkuraten Geste das Kleid glatt strich. Und das Lächeln auf ihren Lippen zitterte, als sie vorsichtig auf mich zutrat und mir die Hand entgegenstreckte. »Komm zu mir!«, sagte sie leise. »Ich kann dich vor dem Schlimmsten bewahren. Alles wird gut, ich verspreche es dir.«
    Sie war immer noch eine miserable Lügnerin. Die Mégana hat sie rufen lassen . Die ungewohnte Zärtlichkeit in ihrer Stimme brach mir trotzdem das Herz. Tränen brannten in meinen Augen und ich hielt sie nicht zurück. Eine Moreno weint nicht. Es war fast zum Lachen, wie gleichgültig mir unser Familiengesetz geworden war. Ich schüttelte den Kopf. »Nichts wird gut«, sagte ich mit erstickter Stimme. »Weil es nie gut war.«
    Meine Mutter leckte sich nervös über die Lippen. »Du kannst nichts dafür. Die Lichter haben dich überwältigt und deinen Geist verwirrt und …«
    »Dann könnt ihr mich ja wieder im Haus der Verwaisten begraben. Oder dort gleich in die Glaskammer sperren.«
    Meine Richtermutter wurde noch blasser. »Vor der Kammer der Traumkranken haben wir dich bewahrt! Wir haben ein Vermögen bezahlt, damit du im Haus weiterleben konntest, hellwach, mit deinen Fähigkeiten, du durftest du selbst bleiben und deinen Verstand behalten.«
    Es überraschte mich nicht einmal mehr zu hören, dass die Menschen nicht als Verrückte in die Kammern kamen. Es hatte sogar eine bestechende Logik: Ihnen wurde der Verstand genommen, damit ihre Gaben ungestört anderen Herren dienen konnten.
    »Was für ein Privileg«, sagte ich bitter. »Ich und die anderen Gespenster durften mit den Gaben weiterleben, solange ihr für deren Nutzung bezahlt habt. Aber wenn du mich jetzt retten willst, vergisst du eins: Ich bin

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