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Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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so heraus, mit dieser Stimme, die nicht mehr ganz die meine war. Ich erschrak so sehr, dass ich beide Hände vor den Mund schlug.
    »Was … wer ist tot?«, fragte Vida.
    Ich schloss die Augen. »Tian?«, flüsterte ich. Und jetzt traf mich die Panik wie ein heißer Wind, der mich von Kopf bis Fuß versengte. Meine Schwester legte mir die Hand auf die Schulter. »Canda, weinst du etwa? Beruhige dich doch! Woher willst du denn wissen, dass ihm etwas passiert ist?«
    »Ich spüre es einfach!« Jetzt schrie ich. Und das erschreckte mich fast mehr als meine Schwester. Zabina und Anib fuhren aus dem Schlaf hoch, setzten sich auf und blickten verwundert blinzelnd zu uns herüber. Getrocknete Farbe rieselte von ihren Körpern auf die Seide.
    Ich stieß mich von der Scheibe ab und wankte an Vida vorbei zur Tür. Dabei verlor ich fast das Gleichgewicht.
    »Canda, warte doch!«
    Aber ich hatte schon den Zeremonienmantel von dem Haken an der Wand gerissen und mir über die Schultern gezogen. Ich trat auf den Saum und stolperte, die Naht der Goldborte riss, doch ich achtete nicht darauf und stürzte auf den Flur. Die beiden bewaffneten Wachen, die vor der Tür warteten, sprangen von ihren Stühlen auf.
    »Lasst sie durch!«, hallte der scharfe Befehl meiner Schwester durch den Flur.
    Irgendein Teil von mir wunderte sich noch, warum sie den Männern befehlen musste, sich mir nicht in den Weg zu stellen, aber ich hatte genug damit zu tun, nicht zu stolpern. Ich war es nicht gewohnt, lange Kleider zu tragen, normalerweise lief ich in Hosen aus leichtem Stoff herum. Aber heute fühlte ich mich auch noch so, als wären meine Knochen zu Stein geworden und die Schultern zu schwach, um aufrecht zu bleiben.
    Das Prunkzimmer, in dem ich die Nacht verbracht hatte, lag im ältesten Trakt der Stadt, hier glänzte noch Gold an den Wänden, Mosaikbilder aus Edelsteinen schmückten die altertümlichen spitzgiebeligen Durchgänge. Alles, was hier modern war – die Aufzüge, das Licht – war nachträglich eingebaut worden. So früh am Morgen war auf den Fluren nur Personal zu sehen, das die Marmorböden wischte. Tagsüber würden diese Putzkräfte wieder in Küchen und Wäschereien verschwinden und für uns unsichtbar werden. Sie stammten aus dem dritten Ring, farblose, einfache Menschen, dazu geboren, den höheren und höchsten Familien – uns – zu dienen. Ich mochte und bedauerte sie gleichermaßen, sie waren stets schüchtern und ehrfürchtig, aber ihre besorgten Mienen hellten sich auf, sobald sie mich sahen. Und selbst der ängstlichste von ihnen begann zu strahlen, wenn ich ihm ein Lächeln schenkte. Sie konnten gar nicht anders. Es war fast so, als würde mein Glanz ein Licht in anderen Menschen entzünden. Ich war gerne verschwenderisch mit meinem Lächeln. Meine Mutter tadelte mich dafür, aber Tian liebte genau das besonders an mir. »Du bist der strahlendste Stern der Stadt«, sagte er oft. »Und zum Glück bist du mein Stern.«
    Heute hatte ich kein Lächeln für die Leute übrig, und sie starrten mich an wie eine Fremde und vergaßen sogar, sich zu verbeugen. Es war ihnen nicht zu verdenken, man sah schließlich nicht jeden Tag eine der Hohen in antikem Hochzeitsmantel und aufgelöstem Haar durch die Flure stürmen.
    »Canda, bleib stehen!«
    Mein keuchender Atem beschlug an der Scheibe des Aufzugs. Vidas Stimme drang nur gedämpft durch die geschlossene Tür, viel lauter hallte das Trommeln ihrer Fäuste. »Halt sofort den Aufzug an!«, schrie sie, jedes Wort eine Wolke auf dem Glas. Ich konnte nur den Kopf schütteln, dann schwebte die gläserne Kabine schon quälend langsam nach unten.
    *
    Auch die beiden Wächter vor Tians Tür sahen mir mit Befremdung entgegen. Damit hatte ich gerechnet. Natürlich konnte mir niemand verbieten, Tian zu sehen, wann immer ich wollte, aber es war ungewöhnlich, dass ich noch vor der Zeremonie zu ihm wollte.
    »Sofort die Tür aufmachen!«, befahl ich ihnen atemlos.
    Sie machten keine Anstalten, zur Seite zu treten, starrten mich nur mit zusammengezogenen Augenbrauen an. »Habt ihr nicht gehört! Ihr sollt …«
    »Keinen Schritt weiter, Mädchen!«, bellte der Kerl, der mich um fast zwei Köpfe überragte. Er trug einen dunklen Anzug, der etwas zu eng saß und seine Muskeln nur schlecht verbarg. »Du hast hier nichts verloren.« Ein grober Stoß traf meine Schulter. Ich taumelte zurück, fassungslos. Die Stelle an meiner Schulter schien zu brennen wie ein Schandmal. Spätestens jetzt hätte

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