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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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eine Armenspeisung?«, fragte die Alte.
    Nick wies nach links. »Geht um das Haus mit dem Efeu herum, dann kommt ihr in den vorderen Hof. Die Suppenküche ist in dem strohgedeckten Gebäude auf der anderen Seite. Fragt nach Lady Meg Roper, sie gibt euch zu essen.«
    Sie legte den Arm um ihren Gefährten und wollte sich abwenden.
    »Wartet.« Nick stand von der Bank auf, klappte das Buch zu und wusste nicht, wohin damit. Wenn er es auf der feuchten Bank ablegte, war er ein toter Mann … »Denkst du nicht, der alte Knabe hier gehört in ein Hospital?«, fragte er die Gevatterin unsicher.
    Sie schnaubte. »Da bringen sie ihn ganz sicher um. Nein, er braucht etwas zu essen. Dann wird er wieder.«
    »Also gut. Ich bring euch hin. Komm, lass dir helfen.« Er zögerte noch einen Moment mit dem Buch in der Hand, als eine tiefe Stimme hinter ihm sagte: »Leih es mir, wenn du so gut sein willst, Nicholas. Geleite unsere Gäste zu meiner Tochter, und anschließend komm wieder her.«
    Nick wandte sich um und verneigte sich. »Sir Thomas.« Was hatte dieser Mann nur an sich, dass man immer geneigt war zu denken: ›Dich schickt der Himmel‹? Mit einem erleichterten Lächeln legte Nick das kostbare Buch in die ausgestreckten großen Hände. »Ich glaube nicht, dass Ihr noch viel Neues daraus lernen könnt«, bemerkte er.
    »Bei jedem Blick in ein jedes Buch kann man etwas Neues lernen, will mir scheinen, weil man nie derselbe Mann ist wie der, welcher letzte Woche darin gelesen hat. Oder?«
    »Ich bin nicht sicher«, bekannte Nick.
    »Dann denk nach, und wir reden darüber, wenn du zurückkommst.«
    Nick legte den Arm um den entkräfteten alten Mann und brachte das Bettlerpaar in den vorderen Hof, wo reger Betrieb herrschte: Lieferanten, Bittsteller, Gelehrte, Juristen und Angehörige des großen Haushaltes bildeten ein buntes Menschengewirr.
    »War er das?«, fragte die alte Frau, und vor Ehrfurcht senkte sie unwillkürlich die Stimme. »Der Gentleman im Garten?«
    Der junge Waringham nickte. »Ja. Das war er.«
    Sir Thomas More hatte einen Fuß auf die Bank gestellt, balancierte den dicken Folianten auf dem Knie, hatte die Arme darauf verschränkt und sah mit konzentriert gerunzelter Stirn zu einer Reihe mannshoher Königskerzen hinüber. Nick blieb zwei Schritte von ihm entfernt stehen und wartete. Er kannte diesen Gesichtsausdruck und wusste, es waren nicht die Blumen, die Sir Thomas so in ihren Bann geschlagen hatten, sondern irgendein Gedanke, den er verfolgte. Und da es sich bei Sir Thomas’ Gedanken in der Regel um Perlen frommer Weisheit oder aber um Ideen von staatstragender Bedeutung handelte, verhielt Nick sich möglichst still, um den Fluss nicht zu unterbrechen.
    Scheinbar unvermittelt kehrte der Gelehrte in die Gegenwart zurück, richtete sich auf und klemmte das Buch unter den Arm. »Hast du Meg gefunden?«
    »Ja, Sir. Sie war nicht übermäßig entzückt von den verspäteten Gästen, denn die Küche war aufgeräumt und die Töpfe geschrubbt, aber sie hat Brot und Blutwurst und Bier aufgetischt. Und sie hat gesagt, wenn der alte Mann die Pest oder das Schweißfieber hat, werden wir alle zugrunde gehen an Eurer Mildtätigkeit.«
    Sir Thomas entblößte zwei Reihen großer, bemerkenswert gesunder Zähne in einem Lächeln, das man kaum anders als spitzbübisch nennen konnte. »Sie ist eine gute Seele, meine Meg. Sie fürchtet lediglich, dass ich es mit der Mildtätigkeit zu weit treibe und uns an den Bettelstab bringe. Sie denkt, es mangele mir an Vernunft.«
    »Ich weiß, Sir.« Aber Nick war überzeugt, Lady Meg sorgte sich unnötig. Sir Thomas war in der Tat großzügig mit Almosen, aber er war auch reich. Und kein Mann, der den Blick für das rechte Maß je verlor.
    »Komm, mein Junge«, lud er ihn nun ein, »lass uns ein Stück am Fluss entlanggehen.«
    Eine Mauer trennte den Garten des Anwesens von den flachen Uferwiesen, und damit die häufigen Themse-Hochwasser nicht ungehindert hereinströmen konnten, führte eine kleine Treppe zu einem erhöhten Tor in der Mauer, eine zweite auf der anderen Seite wieder hinab.
    Sir Thomas wandte sich nach rechts, wo der Uferpfad nach hundert Schritten in ein lichtes Wäldchen eintauchte. »Hier, nimm du das Buch wieder.« Er drückte es Nick in die Hände. »Vielleicht wird sein Gewicht dich überzeugen, dass es letztlich doch leichter ist, den Inhalt im Kopf mit sich herumzutragen.«
    Nick nahm es bereitwillig, aber er antwortete nicht.
    Sir Thomas warf ihm einen kurzen

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