Der dunkle Thron
hat sie nicht verdient.
Was ich hier erzählt habe, ist die reine Wahrheit: Es war ihre enorme Popularität, die sie auf den Thron gebracht hat, die unerschütterliche Unterstützung ihrer Untertanen. Auch der Protestanten. Und so ist es nicht verwunderlich, dass ihre Regierung in versöhnlicher Atmosphäre begann. Von allen, die des Verrats für schuldig befunden wurden, weil sie versucht hatten, Jane Grey auf den Thron zu setzen, wurde erst einmal nur John Dudley, der Duke of Northumberland, hingerichtet. Er starb noch vor Marys Krönung am 22. August 1553 auf dem Tower Hill. In seiner Todesangst schwor er der Reformbewegung ab, und am Abend vor seiner Enthauptung schrieb er dem Earl of Arundel einen erschütternden Brief und flehte ihn an, die Königin zu einer Begnadigung zu bewegen. Es nützte nichts, und wegen seiner religiösen Kehrtwende in letzter Sekunde weinten ihm auch die Protestanten keine Träne nach.
Seine Frau und all seine Söhne bis auf Guildford wurden bald freigelassen und rehabilitiert (und so bekam Robin Dudley Gelegenheit, eine der schillerndsten Figuren am Hof Elizabeths I. zu werden, womöglich sogar ihr Liebhaber).
Zu Beginn ihrer Regentschaft ignorierte Mary das Drängen des kaiserlichen Gesandten, mit den Reformern kurzen Prozess zu machen. Die führenden protestantischen Geistlichen wurden eingesperrt, allen voran Cranmer, aber das war alles.
Kaum ein Vierteljahr nach ihrer Krönung fingen die Dinge jedoch an schiefzulaufen. Mary traf eine fatale Fehlentscheidung mit der Wahl ihres Gemahls. Sie verlobte sich mit ihrem Cousin Philipp, dem zukünftigen König von Spanien und Sohn des Kaisers, und das missfiel den Engländern von Anfang an, die dem Haus Habsburg gegenüber ein ausgeprägtes – teilweise durchaus berechtigtes – Misstrauen empfanden und schon damals jeden ausländischen Einfluss beargwöhnten. Als die Heiratspläne bekannt wurden, zettelte Thomas Wyatt (der Sohn des Dichters, der des Ehebruchs mit Anne Boleyn verdächtigt worden war) eine Revolte gegen Königin Mary an, die in erster Linie politisch motiviert, aber auch von protestantischen Forderungen geprägt war.
Die Revolte wurde niedergeschlagen, aber danach war es mit der königlichen Toleranz vorbei. Jane Greys Vater, der Duke of Suffolk, war einer der Anführer der Revolte gewesen und verlor den Kopf. Das war kein großer Verlust. Tragischer war, dass auch die siebzehnjährige Jane und ihr Mann, Guildford Dudley, plötzlich als potenzielle Bedrohung betrachtet und hingerichtet wurden. Ganz anders als ihr Schwiegervater ging Jane übrigens mit großer Tapferkeit in den Tod, überzeugt, für den wahren – protestantischen – Glauben als Märtyrerin zu sterben. Auch Prinzessin Elizabeth schien plötzlich gefährlich und wanderte in den Tower, wo man sie in den Gemächern einquartierte, die ihre Mutter vor ihrer Hinrichtung bewohnt hatte. Bestimmt kein Zufall. Elizabeths Kopf wackelte, blieb aber zum Glück an Ort und Stelle.
Marys Ehe mit Philipp wurde nicht einmal das Desaster, das sie hätte werden können, bedenkt man, dass die Königin elf Jahre älter war als ihr spanischer Bräutigam und an einer krankhaft anmutenden Aversion gegen Männer bzw. gegen Sexualität litt. Aber Philipp erwies sich als regelrechter Traumprinz: charmant, höflich und rücksichtsvoll.
Die Engländer hassten ihn trotzdem. Und die beiden zeugten keinen Erben. Marys Schwangerschaften waren qualvoll und endeten in Fehlgeburten, so es sich nicht um Scheinschwangerschaften handelte.
Je arktischer das politische Klima wurde, je größer die Verzweiflung ob des ausbleibenden Kronprinzen, desto mehr Einfluss gewannen katholische Brandstifter wie Edmund Bonner und Kardinal Reginald Pole auf Marys Politik. In den letzten drei Jahren ihrer Regentschaft, zwischen 1555 und 1558, wurden 283 Protestanten in England verbrannt, die meisten davon in London. Cranmer war einer der ersten. Ausgerechnet der Erzbischof, der immer um Ausgleich bemüht gewesen war und der Mary vor Cromwell und ihrem eigenen Vater beschützt hatte. 283 bestialische Hinrichtungen in drei Jahren macht im Schnitt zwei pro Woche. Kein Wunder, dass bald ganz London traumatisiert war. Die Verurteilten bekamen in der Regel ein Säckchen mit Schießpulver um den Hals, das explodieren und sie töten sollte, wenn die Flammen es erreichten. Aber es dauerte, bis die Flammen so hoch kamen. Und es klappte auch nicht immer. John Hooper, der protestantische Bischof von
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