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Der Dunkle Turm 1 - Schwarz

Titel: Der Dunkle Turm 1 - Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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dachte, daß dies die Falle sein könnte, die der Mann in Schwarz für ihn zurückgelassen hatte. Er las trockene und vergilbte alte Ausgaben von Zeitschriften mit verblichenen Bildern. Er dachte kaum an irgend etwas.
    Er hörte den kleinen Klavierspieler nicht heraufkommen – seine Reflexe hatten nachgelassen. Auch das schien nicht wichtig zu sein, wenngleich es ihm andernorts und zu einer anderen Zeit sehr erschreckt hätte.
    Allie war nackt, das Laken unter ihre Brüste gesunken, und sie hatte sich gerade auf den Liebesakt vorbereitet.
    »Bitte«, sagte sie. »Ich möchte es wie vorhin, ich möchte…«
    Die Tür flog krachend auf, und der Klavierspieler machte einen lächerlichen x-beinigen Spurt zum Gegner. Allie schrie nicht, obgleich Sheb ein fünfundzwanzig Zentimeter langes Tranchiermesser in der Hand hatte. Sheb gab ein Geräusch von sich, ein unartikuliertes Brabbeln. Er hörte sich an wie ein Mann, der in einem Eimer voll Schlamm ertränkt wird. Er stieß das Messer mit beiden Händen herab, und der Revolvermann packte seine Handgelenke und drehte sie herum. Das Messer flog davon. Sheb stieß einen schrillen, kreischenden Laut aus, wie eine rostige Tür. Seine Hände flatterten mit marionettengleichen Bewegungen, beide Handgelenke waren gebrochen. Der Wind schmirgelte gegen das Fenster. Allies leicht matter und verzerrter Spiegel an der Wand reflektierte das Zimmer.
    »Sie gehörte mir!« Er weinte. »Sie gehörte mir zuerst! Mir!«
    Allie sah ihn an und stieg aus dem Bett. Sie legte sich eine Decke um, und der Revolvermann empfand einen Augenblick Mitleid mit dem Mann, der sich selbst ausgestoßen von dem, was er einst besessen hatte, sehen mußte. Er war nur ein kleiner Mann, und ohnmächtig.
    »Es war für dich«, schluchzte Sheb. »Es war nur für dich, Allie. Du kamst zuerst, und es war alles für dich. Ich… ah, o Gott, gütiger Gott…« Die Worte lösten sich in einem Krampf der Undeutlichkeit auf, danach in Tränen. Er wippte hin und her und hielt die gebrochenen Arme an den Bauch.
    »Psst. Psst. Laß mal sehen.« Sie kniete neben ihn. »Gebrochen. Sheb, du Arschloch. Hast du nicht gewußt, daß du nicht kräftig bist?« Sie half ihm auf die Beine. Er versuchte, die Hände vor das Gesicht zu halten, aber sie gehorchten ihm nicht, und er weinte unverhohlen. »Komm rüber zum Tisch und laß mich sehen, was ich tun kann.«
    Sie führte ihn zum Tisch und schiente die Handgelenke mit Ästen aus der Feuerholzkiste. Er weinte schwach und ohne Willenskraft und ging hinaus, ohne sich noch einmal umzuschauen.
    Sie kam wieder zum Bett. »Wo waren wir stehengeblieben?«
    »Nein«, sagte er.
    Sie sagte geduldig: »Du hast es gewußt. Man kann nichts machen. Und was bleibt uns sonst?« Sie berührte seine Schulter. »Ich bin froh, daß du so stark bist.«
    »Nicht jetzt«, sagte er mit belegter Stimme.
    »Ich kann dich stark machen…«
    »Nein«, sagte er. »Das kannst du nicht.«
     
     
    12
     
    Am nächsten Abend war die Bar geschlossen. Es war das, was in Tull als Sabbath galt. Der Revolvermann ging zu der winzigen, windschiefen Kirche beim Friedhof, während Allie die Tische mit starkem Desinfektionsmittel abwischte und die Schirme der Petroleumlampen mit Seifenlauge spülte.
    Eine seltsam purpurne Dämmerung hatte sich herabgesenkt, und von der Straße aus gesehen sah die innen erleuchtete Kirche beinahe wie ein Hochofen aus.
    »Ich gehe nicht mit«, hatte Allie kurz angebunden gesagt. »Die Frau, die predigt, hat eine vergiftete Religion. Sollen die Ehrbaren hingehen.«
    Er stand im Schatten des Eingangs und sah hinein. Die Bänke waren entfernt worden, die Gemeinde stand (er sah Kennerly und seine Brut; Castner, den Besitzer des bescheidenen Konservenladens in der Stadt, und seine knochige Frau; ein paar Barbesucher; ein paar ›Stadtfrauen‹, die er vorher noch nie gesehen hatte; und überraschenderweise Sheb). Sie sangen abgehackt und a cappella einen Psalm. Er sah die Frau auf der Kanzel, die wie ein Gebirge wirkte, erstaunt an. Allie hatte gesagt: »Sie lebt allein und besucht kaum jemanden. Kommt nur an Sonntagen heraus, um das Höllenfeuer zu servieren. Ihr Name ist Sylvia Pittston. Sie ist verrückt, aber sie hat sie in ihrem Bann. Sie wollen es so. Es paßt zu ihnen.«
    Keine Beschreibung konnte die Leibesfülle der Frau einfangen. Brüste wie Erdwälle. Eine gewaltige Säule von einem Hals, gekrönt von einem teigigen weißen Mond von einem Gesicht, in dem Augen blinzelten, die so riesig

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