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Der Dunkle Turm 2 - Drei

Titel: Der Dunkle Turm 2 - Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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waren. Der Kampf hatte in dem Moment angefangen, als sie ihn gespürt hatte. Keine zögerliche Pause, weil sie keinerlei Überraschung verspürt hatte. Er hatte es selbst erlebt, begriff es aber nicht im geringsten. Keine Überraschung angesichts des in ihren Verstand eingedrungenen Fremden, nur sofortige Wut, Entsetzen und der Wille zu einem Kampf, um ihn abzuschütteln. Sie hatte diesen Kampf nicht einmal ansatzweise gewonnen – konnte ihn gar nicht gewinnen, vermutete er –, aber das hatte sie nicht daran gehindert, es wie der Teufel zu versuchen. Er hatte eine Frau gespürt, die vor Angst und Wut und Haß wahnsinnig gewesen war.
    Er hatte nur Dunkelheit in ihr gespürt – es war ein Verstand, der von einer Höhle umschlossen war.
    Aber…
    Aber in dem Augenblick, als sie durch die Tür geplatzt waren, hatte er sich gewünscht – verzweifelt gewünscht –, er könnte noch einen Augenblick länger verweilen. Ein Augenblick hätte so vieles verraten können. Denn die Frau, die jetzt vor ihnen saß, war nicht die Frau, in deren Verstand er gewesen war. In Eddies Verstand zu sein, war gewesen, als hätte er sich in einem Zimmer mit zuckenden, schwitzenden Wänden befunden. In dem der Herrin zu sein, war gewesen, als hätte er in einem dunklen Raum gelegen, während giftige Schlangen über ihn gekrochen waren.
    Bis zum Ende.
    Am Ende hatte sie sich verändert.
    Und da war noch etwas gewesen, das er als von entscheidender Bedeutung betrachtete, aber er konnte es entweder nicht verstehen oder sich nicht daran erinnern. Etwas wie
    (ein flüchtiger Blick)
    die Tür selbst, nur in ihrem Verstand. Etwas über eine
    (du hast das Besondere zerbrochen – du warst es)
    plötzliche Erkenntnis. Wie beim Studieren, wenn man endlich begriff…
    »Scheiß auf dich«, sagte Eddie voll Abscheu. »Du bist nichts weiter als eine gottverdammte Maschine.«
    Er schritt an Roland vorbei, ging zu der Frau, kniete neben ihr nieder, und als sie die Arme um ihn schlang, voll Panik, wie eine ertrinkende Schwimmerin, wich er nicht zurück, sondern umarmte sie ebenfalls und drückte sie fest.
    »Schon gut«, sagte er. »Ich meine, es ist nicht toll, aber es ist gut.«
    »Wo sind wir?« weinte sie. »Ich saß zu Hause und habe ferngesehen, damit ich erfahre, ob meine Freunde lebend aus Oxford herausgekommen sind, und jetzt bin ich hier UND WEISS NICHT EINMAL, WO HIER IST!«
    »Nun, ich auch nicht«, sagte Eddie, der sie noch fester hielt und anfing, sie ein wenig zu wiegen, »aber ich glaube, wir stecken gemeinsam drin. Ich komme von da, wo Sie auch herkommen, aus dem kleinen alten New York City, und ich habe dasselbe durchgemacht – nun, etwas anders, aber dasselbe Prinzip –, und es wird alles gut mit Ihnen werden.« Und als Nachbemerkung fügte er noch hinzu: »Wenn Sie gern Hummer essen.«
    Sie umarmte ihn und weinte, und Eddie hielt sie umschlungen und wiegte sie, und Roland dachte: Jetzt wird mit Eddie alles in Ordnung kommen. Sein Bruder ist tot, aber er hat jetzt jemand anderen, um den er sich kümmern kann, und deshalb wird mit Eddie alles gut werden.
    Aber er verspürte einen Stich, einen tiefen, vorwurfsvollen Schmerz im Herzen. Er konnte schießen – jedenfalls mit der linken Hand –, konnte töten, konnte immer weitermachen, sich mit brutaler Entschlossenheit durch Meilen und Jahre schleppen, sogar Dimensionen, schien es, um zum Turm zu gelangen. Er konnte überleben, manchmal sogar beschützen – er hatte den Jungen Jake vor einem langsamen Tod im Rasthaus gerettet, und vor sexueller Zerstörung durch das Orakel am Fuß der Berge –, aber am Ende hatte er Jake sterben lassen. Und das war kein Unfall gewesen; er hatte einen bewußten Akt der Verdammung begangen. Er betrachtete die beiden, sah Eddie, der sie umarmte, ihr versicherte, daß alles gut werden würde. Er selbst hätte das nicht gekonnt, und nun gesellte sich zum Bedauern in seinem Herzen eine schleichende Angst.
    Wenn du dein Herz für den Turm geopfert hast, Roland, dann hast du schon verloren. Ein herzloses Geschöpf ist ein Geschöpf ohne Liebe, und ein Geschöpf ohne Liebe ist eine Bestie. Eine Bestie zu sein, ist wahrscheinlich erträglich, aber der Mann, der zu einer geworden ist, wird letzten Endes den Preis der Hölle dafür bezahlen müssen. Doch was wird, solltest du den Dunklen Turm tatsächlich ohne Herz erstürmen und erobern? Wenn in deinem Herzen nichts als Dunkelheit ist, was könnte anderes passieren, als daß du von der Bestie zum Monster wirst?

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