Der Dunkle Turm 2 - Drei
dem zerrissenen Hemd betätigte den Abzug des Revolvers in seiner linken Hand, und Jack Andolini glaubte – glaubte wirklich –, er wäre tot, bis ihm klar wurde, daß er statt des donnernden Schusses lediglich ein leises Klicken gehört hatte.
Fehlzündung.
Andolini erhob sich lächelnd auf die Beine und hob seine eigene Pistole.
»Ich weiß nicht, wer du bist, aber du kannst deinem Arsch einen Abschiedskuß geben, du verdammtes Gespenst«, sagte er.
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Eddie richtete sich zitternd auf, sein nackter Körper war von Gänsehaut überzogen. Er sah Roland ziehen, hörte das trockene Schnappen, das ein Knall hätte sein sollen, sah Andolini sich auf die Knie aufrichten, hörte ihn etwas sagen, und ehe er noch richtig wußte, was er tat, hatte seine Hand einen kantigen Felsbrocken ertastet. Er zog ihn aus dem körnigen Sand und warf ihn, so fest er konnte. Der Stein traf Andolini hoch am Hinterkopf und prallte ab. Blut spritzte aus einem unregelmäßigen Hautlappen, der von Jack Andolinis Kopf weghing. Andolini feuerte, aber die Kugel, die den Revolvermann ansonsten sicher getötet hätte, ging weit daneben.
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Nicht weit, hätte der Revolvermann Eddie mitteilen können. Wenn man den Wind einer Kugel an der Wange spürt, kann man eigentlich nicht von weit sprechen.
Während er noch vor Andolinis Schuß zurückprallte, spannte er den Hahn seines Revolvers erneut und betätigte den Abzug. Dieses Mal feuerte die Kugel in der Trommel – der trockene, mächtige Knall hallte am Strand auf und ab. Möwen, die auf Felsen hoch über den Monsterhummern geschlafen hatte, wachten auf und flogen als erschrockene, kreischende Schwärme empor.
Trotz seines eigenen unwillkürlichen Zurückprallens hätte die Kugel des Revolvermanns Andolini erledigt aber inzwischen war auch Andolini in Bewegung, er kippte vom Schlag auf den Kopf benommen zur Seite. Der Knall vom Revolver des Revolvermanns schien weit entfernt zu sein, aber der sengende Pfahl, den sie in seinen linken Arm trieb, als sie den Ellbogen zerschmetterte, war durchaus wirklich. Das riß ihn aus seiner Benommenheit, und er erhob sich auf die Beine, ein Arm war gebrochen und hing nutzlos herab, die Pistole in der anderen Hand zuckte hektisch hin und her und suchte ihr Ziel.
Zuerst sah er Eddie, Eddie den Junkie, Eddie, der ihn irgendwie an diesen verrückten Ort gebracht hatte. Eddie stand so nackt wie am Tag seiner Geburt da, zitterte im kalten Wind und hielt den Oberkörper mit beiden Armen umklammert. Nun, vielleicht mußte er hier sterben, aber er würde wenigstens das Vergnügen haben, daß er den Wichser Eddie Dean mit sich nahm.
Andolini hob die Pistole. Die kleine Cobra schien jetzt zwanzig Pfund zu wiegen, aber er schaffte es trotzdem.
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Dies sollte besser keine Fehlzündung mehr sein, dachte Roland grimmig und spannte den Hahn mit dem Daumen. Er hörte über den Lärm der Möwen hinweg das glatte, geölte Klicken, mit dem sich die Trommel drehte.
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Es war keine Fehlzündung.
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Der Revolvermann hatte nicht auf Andolinis Kopf gezielt, sondern auf die Pistole in Andolinis Hand. Er wußte nicht, ob sie diesen Mann noch brauchten, aber es konnte möglich sein; er war wichtig für Balazar, und da sich Balazar in jeder Hinsicht als ebenso gefährlich entpuppt hatte, wie Roland geglaubt hatte, war der beste Weg der sichere.
Sein Schuß war gut, das war keine Überraschung; aber dafür das, was dann mit Andolinis Pistole und dabei mit ihm selbst geschah. Roland hatte so etwas schon einmal gesehen, aber erst zweimal in all den Jahren, seit er Menschen gesehen hatte, die mit Feuerwaffen aufeinander schossen.
Pech für dich, Kumpel, dachte der Revolvermann, während Andolini schreiend in Richtung Strand lief. Blut troff an seinem Hemd und der Hose hinunter. Die Hand, welche den Colt gehalten hatte, fehlte von Mitte der Handfläche abwärts. Die Pistole war ein nutzloses Stück Metall, das am Strand lag.
Eddie sah ihn fassungslos an. Niemand würde sich mehr von Jack Andolinis Höhlenmenschengesicht träumen lassen, weil dieses Gesicht nicht mehr da war; wo es gewesen war, befand sich jetzt nur noch ein versengtes Durcheinander rohen Fleisches und das schwarze, kreischende Loch seines Mundes.
»Mein Gott, was ist passiert?«
»Meine Kugel muß den Zylinder seiner Pistole in dem Augenblick getroffen haben, als er selbst den Abzug betätigte«, sagte der Revolvermann. Er sprach so unbeteiligt
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