Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
war der eigentliche Grund dafür. Jetzt hatte sie ihn endlich einmal offen ausgesprochen.
»Ist es das, was dich an mir stört, Sai?«, erkundigte er sich zuckersüß. »Dass ich die Stange küsse, statt ins Loch zu stoßen, ist das alles?«
Auf Tammy Kellys Wangen blühten jetzt keine Rosen mehr; sie standen regelrecht in Flammen. So weit hatte sie nicht gehen wollen, aber nachdem sie es nun getan hatte – sie hatten es beide getan, falls es nämlich zu Tätlichkeiten kam, war das ebenso seine Schuld wie ihre –, konnte sie nicht mehr zurück. Der Teufel sollte sie holen, wenn sie auch nur ein Stück zurückwich.
»In der Bibel des Direktors steht, dass Schwulsein Sünde ist«, erklärte sie ihm in gerechter Empörung. »Das hab ich selbst gelesen, das hab ich. Drittes Buch Mose, Kapitel achtzehn, Vers …«
»Und was steht im Moses über die Sünde der Völlerei?«, erkundigte er sich. »Was schreibt er über eine Frau mit Titten so groß wie Polster und einem Arsch so groß wie ein Küchenti …?«
»Wie groß mein Hintern ist, geht dich nichts an, du kleiner Schwanzlutscher!«
»Ich kann wenigstens einen Mann kriegen«, sagte er zuckersüß, »und muss nicht mit einem Staubwedel ins Bett gehen …«
»Wie kannst du es wagen!«, rief sie schrill. »Halt deine freche Klappe, bevor ich sie dir stopfe!«
»… um mir Spinnweben aus der Möse zu wischen, damit ich …«
»Ich schlage dir die Zähne ein, wenn du nicht …«
»… meine müde alte Fotze befingern kann.« Dann fiel ihm etwas ein, was sie noch mehr beleidigen würde. »Meine müde, schmutzige alte Fotze!«
Tammy ballte die Fäuste, die beträchtlich größer als seine waren. »Wenigstens hat mir niemals …«
»Kein Wort mehr, Sai, ich bitte dich.«
»… niemals irgendein Mann sein hässliches altes … hässliches … altes …«
Sie brachte den Satz nicht zu Ende, machte ein verwirrtes Gesicht und schnüffelte in die Luft. Tassa schnüffelte ebenfalls und merkte, dass dieser Geruch eigentlich nicht neu war. Er hatte ihn schon fast zu Beginn ihres Streits wahrgenommen, aber jetzt war er stärker.
»Riechst du den …«, sagte Tammy.
»… Rauch!«, ergänzte er. Sie starrten sich erschrocken an und hatten mit einem Mal ihren Streit vergessen, ungefähr fünf Sekunden, bevor es zu Tätlichkeiten gekommen wäre. Tammys Blick fixierte die neben dem Herd angebrachte Warntafel. Überall im Algul Siento hingen solche Warnungen, weil die meisten Gebäude, die den Komplex bildeten, aus Holz bestanden. Aus altem Holz, WIR MÜSSEN ALLE ZUSAMMENARBEITEN, UM EINE FEUERFREIE UMGEBUNG ZU SCHAFFEN stand darauf.
Irgendwo in der Nähe – auf dem rückwärtigen Flur – gellte einer der noch funktionierenden Rauchmelder beängstigend los. Tammy lief in die Speisekammer, um sich den dort hängenden Feuerlöscher zu schnappen.
»Hol den aus der Bibliothek!«, rief sie, worauf Tassa ohne ein Wort des Widerspruchs loshetzte. Feuer war die große Gefahr, die sie alle fürchteten.
5
Gaskie o’ Tego, der stellvertretende Sicherheitschef, stand im Eingangsbereich von Feveral Hall, des Wohnheims unmittelbar hinter Damli House, und sprach mit James Cagney. Cagney war ein rothaariger Can-Toi, der mit Vorliebe Westernhemden und Cowboystiefel trug, die seine eins fünfundsechzig um drei Fingerbreit vergrößerten. Beide hielten ein Klemmbrett in der Hand und sprachen über bestimmte Änderungen des Wachdiensts im Damli House, die kommende Woche erforderlich sein würden. Sechs der für die zweite Schicht eingeteilten Männer waren an etwas erkrankt, das Gangli, der Lagerarzt, als die Hume-Krankheit »Momps« bezeichnete. Krankheiten waren in Donnerschlag alltäglich – sie lagen in der Luft, wie jeder wusste, und in den giftigen Hinterlassenschaften des Alten Volkes –, aber sie waren immer lästig. Gangli betonte, sie könnten von Glück sagen, dass hier noch nie eine wirkliche Seuche wie der Schwarze Tod oder das Heiße Grausen aufgetreten sei.
In einiger Entfernung, auf dem gepflasterten Spielfeld hinter dem Damli House, fand ein frühmorgendliches Basketballspiel statt, bei dem mehrere Taheen und Can-Toi-Wächter (die offiziell im Dienst sein würden, sobald das Hornsignal ertönte) gegen ein zusammengewürfeltes Team aus Brechern spielten. Gaskie beobachtete, wie Joey Rastosovich fast von der Mittellinie aus warf … wusch! Trampas schnappte sich den Ball, spielte ihn über die Auslinie und nahm kurz seine Kappe ab, um sich darunter zu
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